Volltext: Der Sammler 11. Jahrg. 1915 (1915)

Herausgeber: Der Museal-Berein Schärding. — Verantwortlicher Redakteur: Joh. Vees, Schärding. 
Druck I. Vees, Schärding. 
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Vornehmlich war es eine mit breiten, 
rostzerfressenen Eisenbändern beschlagene Truhe, 
die mein regstes Interesse auf sich zog. Vier 
Herzen aus starkem, gehämmertem Blech waren 
auf den Deckel genietet; jedes der Herzen trug 
eine Zahl: l, 3, 1, 7. 
Mit einem lauten Knall sprang der Deckel 
auf. Der einbruchkundige Geselle hatte mit dem 
Brecheisen flinke Arbeit getan. Gelbe Perga 
mentbündel mit abgebröselten roten Siegelscheiben 
war das erste, was wir sahen. Und tiefer 
unten im papierenen Eingeweide lag ein grauer 
Ledersack. Die mürben Schnüre rissen als Herr 
Kein aus Amsterdam gierig zugriff. Achtzig 
Pfund schwarze Pfennig sagte er dann enttäuscht, 
als aus dem geplatzten Nähten die blechernen 
Scheibchen schwarzgrau herausrieselten. Eine 
Steinfigur, auf die mein Fuß stieß, lenkte meine 
Aufmerksamkeit ab und frohlockend schrie ich auf 
als ich näher hinsah: Da, da schauen sie doch, 
Herr Hein, da ist er, der Bielgefuchte, der lange 
Verlorengeglaubte, der „Schärdinger Krautsch", 
das älteste Wahrzeichen Schärdings I Hierher 
also bist du verschleppt worden, römischer Lei 
chenstein !" 
„Was ist mit dem armseligen zerschun- 
dentn Steinteufel los?" fragte mich mein 
„Altertumsforscher", der auf mich immer mehr 
den Eindruck eines Verbrechers machte. 
Ich erklärte ihm das historische Kleinod: 
„Bis zum Jahre 1822 war es am Haufe Nr. 
55, 18 Schuh hoch über dem Pflaster ange 
bracht. Um 1822 war es spurlos verschwunden, 
leidiges Unverständnis hatte das Steinbild, 
welches ein hockendes Männchen darstellte, zu 
Grunde gehen lassen. So nahm man an und 
jetzt kam es wieder zum Vorschein!" 
„Da haben wir Ausschreibungen vom Jsak 
Ortner", unterbrach mich mein Genosse, „und 
hier, sehen Sie, ich wußte es, hier ist auch der 
Stögerische Faszikel „Mein Testament" betitelt. 
Wir werden auch noch anderes finden, o, ich 
bin nicht umsonst in Dinkelsbühl, in Rotenburg, 
in Burghausen und Neu - Oetting gewesen. 
Dreißig alte Nester habe ich schon ausgenommen, 
da wird man gefinkelt, mein Lieber!" 
Er sprach immer, langsamer, schleppender, 
leiser, da wurde es finster. Schwarze, sammet 
weiche Nacht war im Raum. 
Und wieder gabs einen Knall, als ob eine 
zweite Truhentüre aufgesprengt werden würde. 
Ich aber lag am Boden, neben meinem 
Schreibtisch, der Sessel lag umgekippt neben 
mir. Die Notizen für den „Sammler" hatten 
ihrem Platz nicht gewechselt. 
Dem Schlafbedürfnis war wieder mit einer 
Rate Tribut geleistet worden. 
Aus dem Schlafzimmer tönte die Stimme 
meiner Frau: 
„Ja, was treibst du denn?" 
Zerschlagen stand ich auf. 
„Sag mir, wer hat heute Abend noch 
geläutet?" 
„Der Gasinstallateur !" 
„So ! so! so ! 
Aber der Kerl sah doch ganz anders aus!" 
„Welcher Kerl?" 
Ich schwieg. Und ich wußte nun auch, 
wer mein seltsamer Altertumsforscher und Anti 
quitätenhändler war: 
Vor zwölf Jahren lag ich an einer 
schweren Verwundung totkrank darnieder. 
Da saß durch viele, viele Tage und Nächte 
ein Mann am Fußende meines Bettes. Arzt 
und Eltern meinten, es wäre niemand an 
meiner Lagerstatt. Aber ich wußte es besser. 
Und dieser hartnäckige Stillsitzer war jetzt 
wieder bei mir. 
Was solls ? Was will er? 
Ich bin furchtlos. Freund Hein! Oeffnest 
du mein verschlossenes Tor? 
Noch ist es zugemauert. ' — 
— Ende. 
Kaust die Ansichts-Karten 
des Musealvereines! 
Zu haben bei R. v. Jäger, Seifensiederei, Schärding
	        
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