Volltext: Der Sammler 11. Jahrg. 1915 (1915)

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derselbe seine Aufmerksamkeit darauf gerichtet 
hielt, alles, was nur einen Anklang an die Ge 
schichte der Stadt hatte, wenn möglich, derselben 
auch zuzuführen. 
Wiederholt hatten wir Gelegenheit, an 
dieser Stlle hierüber berichten zu können, und 
die Belege hiefür, zahlreiche in der liebenswür- 
eine von den beiden ist zwischen der Kinder 
bewahranstalt und dem Rundbau des Baum- 
gartnerischen Kaffeehausgartens, der zweite beim 
alten „Wohlmut-Turm", dem heutigen Baldi- 
Hinterhause zu finden. Dem ersteren gilt unser 
Interesse. 
Oftmals 'grübelte ich darüber nach, was 
wohl hinter diesem vermauerten Torbogen 
stecken möge. Die Hausbesitzer in der Silber 
zeile wissen es alle, daß es unter den Kies 
wegen ihrer Mauergärtlein hohl klingt. 
Alte Geheimnisse murren dumpf herauf, 
wenn der jätende Spaten an die verschlossenen 
Gewölbe stößt. 
* * 
* 
Es war anfangs November um die neunte 
Abendstunde. Ich saß beim Schreibtisch, abge 
spannt, verärgert und steinmüde Der Dienst 
eines Eisenbahners in Kriegszeiten ist kein linder 
Herrendienst, da bleiben für den Schriftsteller 
nur die Nachtstunden übrig ; das Schlafbedürfnis 
muß ratenweise befriedigt werden. 
Einige Notizen für den „Sammler" warf 
ich noch auf das Papier, um gelegentlich eine 
historische Skizze zp vollenden. 
Da schellte draußen im Vorzimmer die 
Glocke; so spät noch ein Besuch? Wer mag es 
sein? Ich hörte die verwunderte Frage 
meiner Frau: 
„Was wünschen Sie?" 
Und dann eine fremde Männerstimme: 
„Bitte, kann ich noch mit Herrn Gruber 
sprechen?" 
Der Fremde trat ein und nahm im Lehn 
stuhl neben meinem Schreibtisch Platz; er 
schien mir bekannt zu sein, nur wußte ich — 
bei meinem elenden Personengedächtnis — 
nicht, wohin ich ihn einschachteln sollte. 
„Wir kennen uns, Verehrtester", lachte er 
und legte seine Visitenkarte auf das grüne, 
tintenbekleckste Tuch meines Schreibmöbels: 
Jostas Hei» 
Altertumsforscher und Antiquitäten 
händler 
Amsterdam, Oranjestraat 73 
digen Art abgefaßte Briefe, werden dem Museal 
verein, solange derselbe bestehen wird, ein 
teures Andenken bleiben. Der Musealverein 
hält daher die Erinnerung an den hochwürdigen 
Herrn Prälaten hoch in Ehren und betrauert 
tief dessen Heimgang. 
Ich zog eine Grimasse, welche meine ver 
fluchte Vergeßlichkeit decken sollte und tat, als 
ob wir schon einen Scheffel Salz miteinander 
gegessen hätten. Ich kannte ihn, das stand fest! 
Das nervöse Spiel seiner langknochigen Finger, 
die harten stahlblanken Augen hatte ich öfters 
gesehen. 
Wo aber? wo? 
Bald war ich aber jeder Verstellungskunst 
enthoben, denn sein Anliegen war so merkwürdig 
so packend interessant, so überaus romantisch, 
daß ich nur hinhorchen brauchte. 
„Sie kennen ja die Situation", sprach er, 
als er mir seine Absichten kurz mitgeteilt hatte. 
„Gefahr oder unliebsames Aufsehen kommen 
nicht in Betracht. Alles ist vorbereitet, der 
Hausbesitzer ist instruiert, seine Zustimmung 
haben wir. 
Sie fahren mit dem Personenzug um 
10 Uhr 30 Minuten nachts von Wien ab, 
kommen um 7 Uhr früh in Schärding am 
Nachts um halb 11 Uhr benützen wir die 
bereits vorbereitete Leiter und lösen die mit 
Rötelstift bezeichneten Steine aus der Schär- 
dinger Stadtmauer. Hindernisse militärischer 
Natur liegen nicht vor; sollten uns heimkehrende 
Landesschützen, die derzeit in Schärding garni- 
sonieren, beobachten, dann genügt meine Legi 
timation. Jede Verantwortung übernehme ich, 
Sie können ganz beruhigt sein. 
Wertvolle Funde erwarte ich mir aus dem 
vermauerten Gewölbe. 
Zum ersten: Es ist möglich, ja sogar 
wahrscheinlich, daß wir aus der Zeit Herzog 
Ludwigs im Barte, dem eigentlichen Gründer 
der Festungsstadt Schärding, dessen Andenken im 
Glockenhause der Stadtpfarrkirche eine pracht 
volle Votivtafel ehrt, Erinnerungen finden wer 
den, die unbezahlbar sind. 
Zum zweiten: Hoffe ich über die Elends 
zeiten des Bauernkrieges irgend etwas zu finden, 
was unsere Kenntnis bereichert. 
Und zum dritten endlich suche ich Stögers 
Vermächtnis an die Stadt Schärding, jenes 
edlen Mannes Testament, der im Jahre 1809 
die arme Stadt durch klassischen Mannesmut 
und heroenhafte Tapferkeit vor der drohenden 
Vernichtung beschützt hat. 
Es ist ein Gewölbe, achteinhalb Meter im 
Geviert, in Angelus Rumptners Chronik fand 
ich den Hinweis. 
Vielleicht, mein junger Freund, finden wir 
auch Denkstücke aus Deutschlands größter Not.
	        
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