Volltext: Der Sammler 7. Jahrg. 1911 (1911)

Straßen und Plätzen sind im Jahren 1724 gleich 
zeitig mit dem kurfürstlichen Schlosse abgebrannt. 
An Stelle der Giebelmauern sind die geraden 
Feuermauern getreten. Die Jahre 1779 und 1809 
haben jedenfalls auch noch das Ihrige zum Ruine 
des einstens vollkomrnen harmonischen Stadt 
bildes beigetragen. 
Die Giebeln, die 1809 verloren gingen, 
wurden wieder aufgebaut oder in Stand gesetzt, 
wäre das nicht geschehen, so hätte die Stadt 
wohl heute ein ganz anderes Aussehen. Zahlreiche 
Hausbesitzer, die jedoch schon 1724 und 1779 unter 
den zerstörenden Stadtbränden zu leiden hatten, 
konnten sich, wenn auch 1809 verunglückt, nicht 
mehr entschließen, zu den alten Giebeln zurück 
zugreifen. 
Heute muß man dies allgemein bedauern. 
Der Giebelbogen ist für die Stadt Schärding, 
soll dieselbe baulich beachtenswert bleiben, ein 
„Rührmichnichtan". 
Es muß daher getrachtet werden, wenn 
irgend Gelegenheit dazu geboten ist, in der alten 
Stadt ergänzend einzugreifen. In der neuen 
Stadt, die wir außerhalb des Stadtgrabens vor 
uns haben, soll der Anklang an die erstere in 
hervortretender Weise zur Geltung kommen. 
Das Jahr 1911 ist dieser Auffassung dien 
lich geworden. Verschiedene sehr bedeutende 
Bauten sind in der Neustadt von Schärding 
entstanden, die dem oben angeführten Gedanken 
in erfreulicher Weise Rechnung tragen. 
Noch ist es verfrüht, den neuen Gerichts 
bau eine eingehende Würdigung angedeihen zu 
lassen, da der Rohbau noch nicht ganz vol 
lendet ist. 
Aber was man jetzt schon wahrnehmen 
kann, wirkt höchst anziehend. Jedermann be 
greift es sofort, was mit diesem Baustile gemeint 
ist. Die Wiederbelebung des alten Stadbildes. 
In der glücklichsten Weise gelöst, in reicher Aus 
gestaltung entsteht da ein monumentaler Bau, 
eine Zierde für die Stadt. Wie ansprechend 
und übereinstimmend das in der Nachbarschaft 
befindliche neugebaute Haus knapp an der Bahn 
hofstraße wirkt, das in seiner Hauptfassade einen 
einen einfachen aber schönen Giebelbau trügt, 
kann aus der Nähe nicht erkannt werden, da 
bei der Straßenenge kein Fleck zu finden ist, 
wo das Auge das gesamte Bild erfassen könnte. 
Wer aber sehen will, daß sich diese beiden 
Hausfronten im Bild auf das schönste ergänzen, 
der betrachte dieselben vom sogenannten Para- 
pluie aus. Ueber buschigen Baumkronen steigen 
die beiden Giebeldächer hervor, einen höchst 
freundlichen Eindruck auf den Beschauer hervor 
bringend. Von obigem Standpunkte aus ist 
eben durch diese beiden Neubauten ein überaus 
schönes neues Stadtbild erstanden. Links vom Ge 
richtsgebäude flankiert das Steildach des Schul 
hauses mit dem gotischen Giebel das Bild und rück 
wärts steigt der Kirchturm heraus, der in seinem 
jetzigen neuen Kupferkleide eine Wärme zeigt, die 
den Blick immer wieder aufs Neue an denselben 
fesselt. Man braucht garnicht schwärmerisch 
veranlagt zu sein, um an diesem Bilde Gefallen 
zu finden. 
Das neue Krankenhausgebäude tritt uns 
gleich freundlich entgegen. Der Platz um das 
selbe ist nun frei, und somit kommen die Fassaden 
zur Geltung. Die beiden Giebelfelder sind der 
einzige, aber ein schöner Schmuck dieses stim 
mungsvollen Gebäudes. Auch dieser hervor 
ragende Bau wird in den Jahren Einfluß 
nehmen auf die in dessen Nähe entstehenden Ge 
bäuden, und damit ist an zwei wichtigen Plätzen 
vor den Stadteingängen ein Zeichen aufgestellt, 
das zur freundlichen Nachahmung in jenem Baustile 
einladet, der der Stadt Schärding am besten zu 
gehörig ist und frommt. 
5chäräing. 
Im Jahre 1779 ist zu Wien bei Josef 
Edlen oon Kurzböck eine Topographie oder kurze 
Beschreibung des ganzen Distriktes der bayer 
ischen Lande, welche das durchlauchtigste Erz 
haus von Oesterreich kraft der mit Kurpfalz zu 
Teschen geschlossenen Konvention in Besitz ge 
nommen hat, erschienen, die uns vorliegt. Es 
ist dies also eine Beschreibung des Jnnviertels 
aus damaliger Zeit, mit Karten und Kupfer 
stichen, welch letztere Nachbildungen nach Wening, 
Kupferstecher in München sind, und aus dem 
Jahre zirka 1705 stammen. Wir blättern 
Schärding auf und begegnen dort einem be 
kannten Stadtbilde in großem Formate. Das 
kurfürstliche Schloß ist noch in seiner ganzen 
Mächtigkeit zu sehen; es ist ein einfach gehal 
tener Bau, der von einein ungewöhnlich hohen 
Wartturm überragt ist. Die Stadtpfarrkirche 
zeigt ein zweiteiliges Längsschiff, der rückwärtige 
Teil überhöht die vordere Hälfte gegen den Turm 
zu um ein Bedeutendes. Ein einfacher Kugel 
bau schließt den Turm ab. Die Spital 
kirche hat die gotische Form beibehalten, auf 
dem Kreuze ist der Hahn sichtbar. Die Kapu 
zinerkirche hat seit jener Zeit die Form des 
Türmchens nicht geändert. Das Sebastians 
kirchlein hat auch ein kleines Kugeltürmchen. 
Auf dem Bild erscheint noch besonders an 
gemerkt : Das Brückenthor, das Jnnthor, der 
Fränkische Hof und der Dechantshof, ein Ge 
bäude mit hoher Giebelmauer. 
Unter § 81 lesen wir in dieser Topo 
graphie wie folgt: 
„S ch a r d i n g. Diese wohlgebaute Stadt 
samt einem eigenen Pfleggerichte liegt am Jnn- 
strom gegen Morgen und Mitternacht mit Bergen 
und Waldungen umgeben, gegen Mittag und 
Abend aber auf flachem Lande an den Passau 
und österr. Grenzen.
	        
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