Otto Richter 317
Umgang mit Personen, die während der NS-Zeit – in unterschiedlichen Be-
reichen – Karriere gemacht hatten, gestaltete sich durchaus ambivalent und
war zum Teil möglicherweise davon abhängig, in welcher Beziehung er zu
ihnen stand. So brachte Richter im Jahr 1947 etwa sein Missfallen gegenüber
dem ehemaligen Landeshauptmann Eigl, der während der NS-Zeit quasi
Richters Posten übernommen hatte, zum Ausdruck, als er in einem Konzept
für ein Schreiben an das Bundesministerium für Inneres – anlässlich Eigls
Ruhestandsversetzung – eine Textstelle eigenhändig ausgestrichen haben
dürfte, die Eigl „für seine langjährige, vorzügliche Dienstleistung den Dank
und die Anerkennung“ aussprechen sollte.156 Auch verhinderte Richter eini-
ge Zeit die Schließung des Pensionsaktes von Eigl, erst Ende Juni 1948 wur-
de dieser schließlich in den Ruhestand versetzt.157 Andererseits setzte er sich
in der Nachkriegszeit intensiv für die Rehabilitierung des Anatoms und NS-
Wissenschaftlers Eduard Pernkopf, der mit seiner Familie bekannt gewesen
sein dürfte, ein.158 Richter war diesbezüglich bereits ab Ende 1946 aktiv, er
kontaktierte etwa die hohe Ministerialbürokratie und intervenierte mehrmals
beim Unterrichtsminister. In welchem Verhältnis Richter zu Pernkopf genau
stand, ist unbekannt.159 Eine mögliche Verbindung ergibt sich über seine
Tochter Monika, die an der von Pernkopf geleiteten Universität Wien stu-
dierte.
Nach Kriegsende hatte Richter auch den Vorsitz einer für Linz zuständigen
Entnazifizierungs-Sonderkommission inne. Deren Aufgabe bestand darin,
öffentlich Bedienstete des Linzer Magistrats, die nach § 4 des Verbotsgeset-
zes von 1945 registrierungspflichtig waren, zu überprüfen und eine Beurtei-
lung vorzunehmen. Dies konnte auch zur Entlassung führen.160
Im Februar 1948 wurde Richter zum „Vorsitzenden der für die beim Amte
der oö. Landesregierung zugewiesenen Bundesbeamten der mittelbaren
Bundesverwaltung eingesetzten Disziplinarkommission“ bestellt.161 Im sel-
ben Jahr setzte er sich, um die Stellung der Bundesländer zu stärken und die
Verwaltung zu verbessern, für mehr Erfahrungs- und Meinungsaustausch in
Gesetzgebungs- und Vollziehungsfragen ein und schlug in diesem Zusam-
menhang regelmäßige Treffen der Landesamtsdirektoren der Länder vor. Die
156 Zitiert nach: Schuster, Walter: Politische Restauration 172
157 Ebd.
158 Malina, Peter: Eduard Pernkopfs Anatomie oder: Die Fiktion einer „reinen“ Wissenschaft.
In: Wiener Klinische Wochenschrift H. 24 (1997) 935-943, hier: 939
159 Arias, Ingrid: Entnazifizierung an der Wiener Medizinischen Fakultät: Bruch oder Konti-
nuität? Das Beispiel des Anatomischen Instituts. In: Zeitgeschichte H. 6 (Nov./Dez. 2004)
339-369, hier: 352
160 Schuster, Walter: Die Entnazifizierung des Magistrates Linz. In: Mayrhofer, Fritz –
Schuster, Walter (Hg.): Entnazifizierung und Wiederaufbau in Linz (Historisches Jahrbuch
der Stadt Linz 1995, Linz 1996) 87-205, hier: 155-156
161 OÖLA, Nachlass Otto Richter, Sch. 1: Schreiben des Landeshauptmannes Gleißner an
Richter vom 19. 2. 1948