Volltext: Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs Nr. 24 (Nr. 24 / 2015)

Otto Richter 317 Umgang mit Personen, die während der NS-Zeit – in unterschiedlichen Be- reichen – Karriere gemacht hatten, gestaltete sich durchaus ambivalent und war zum Teil möglicherweise davon abhängig, in welcher Beziehung er zu ihnen stand. So brachte Richter im Jahr 1947 etwa sein Missfallen gegenüber dem ehemaligen Landeshauptmann Eigl, der während der NS-Zeit quasi Richters Posten übernommen hatte, zum Ausdruck, als er in einem Konzept für ein Schreiben an das Bundesministerium für Inneres – anlässlich Eigls Ruhestandsversetzung – eine Textstelle eigenhändig ausgestrichen haben dürfte, die Eigl „für seine langjährige, vorzügliche Dienstleistung den Dank und die Anerkennung“ aussprechen sollte.156 Auch verhinderte Richter eini- ge Zeit die Schließung des Pensionsaktes von Eigl, erst Ende Juni 1948 wur- de dieser schließlich in den Ruhestand versetzt.157 Andererseits setzte er sich in der Nachkriegszeit intensiv für die Rehabilitierung des Anatoms und NS- Wissenschaftlers Eduard Pernkopf, der mit seiner Familie bekannt gewesen sein dürfte, ein.158 Richter war diesbezüglich bereits ab Ende 1946 aktiv, er kontaktierte etwa die hohe Ministerialbürokratie und intervenierte mehrmals beim Unterrichtsminister. In welchem Verhältnis Richter zu Pernkopf genau stand, ist unbekannt.159 Eine mögliche Verbindung ergibt sich über seine Tochter Monika, die an der von Pernkopf geleiteten Universität Wien stu- dierte. Nach Kriegsende hatte Richter auch den Vorsitz einer für Linz zuständigen Entnazifizierungs-Sonderkommission inne. Deren Aufgabe bestand darin, öffentlich Bedienstete des Linzer Magistrats, die nach § 4 des Verbotsgeset- zes von 1945 registrierungspflichtig waren, zu überprüfen und eine Beurtei- lung vorzunehmen. Dies konnte auch zur Entlassung führen.160 Im Februar 1948 wurde Richter zum „Vorsitzenden der für die beim Amte der oö. Landesregierung zugewiesenen Bundesbeamten der mittelbaren Bundesverwaltung eingesetzten Disziplinarkommission“ bestellt.161 Im sel- ben Jahr setzte er sich, um die Stellung der Bundesländer zu stärken und die Verwaltung zu verbessern, für mehr Erfahrungs- und Meinungsaustausch in Gesetzgebungs- und Vollziehungsfragen ein und schlug in diesem Zusam- menhang regelmäßige Treffen der Landesamtsdirektoren der Länder vor. Die 156 Zitiert nach: Schuster, Walter: Politische Restauration 172 157 Ebd. 158 Malina, Peter: Eduard Pernkopfs Anatomie oder: Die Fiktion einer „reinen“ Wissenschaft. In: Wiener Klinische Wochenschrift H. 24 (1997) 935-943, hier: 939 159 Arias, Ingrid: Entnazifizierung an der Wiener Medizinischen Fakultät: Bruch oder Konti- nuität? Das Beispiel des Anatomischen Instituts. In: Zeitgeschichte H. 6 (Nov./Dez. 2004) 339-369, hier: 352 160 Schuster, Walter: Die Entnazifizierung des Magistrates Linz. In: Mayrhofer, Fritz – Schuster, Walter (Hg.): Entnazifizierung und Wiederaufbau in Linz (Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 1995, Linz 1996) 87-205, hier: 155-156 161 OÖLA, Nachlass Otto Richter, Sch. 1: Schreiben des Landeshauptmannes Gleißner an Richter vom 19. 2. 1948
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