Volltext: Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs Nr. 23 (Nr. 23 / 2013)

46 Gerhard Gaigg beim Sommertermin nicht auf die abnehmende Sonne, sondern auf deren höchsten Stand und den längsten Tag, also praktisch auf die „Erfüllung“ des „Sozialismus der Tat“ hingewiesen wurde. Bei den Sonnwendfeiern stand man auch nicht in direkter Konkurrenz mit kirchlichen Feiertagen und konn- te die „neue Wahrheit“ wirksam verkünden. Bereits im ersten Jahr des Drit- ten Reiches feierte vor allem die HJ reichsweit die Sommer-Sonnenwende. Ab 1935 war sie von der Hauptfeier vor 100.000 Zuschauern im Berliner Olympiastadion bis herab in alle Ortsgruppen eine zentral gesteuerte, nach nationalsozialistischem Feierschema überall gleich gestaltete Veranstaltung. Im gleichen Jahr liefen von einem Zentralfeuer auf dem Brocken im Harz bis hin an die Grenzen des Reiches sechs Strahlen, die durch Feuer gebildet wurden, die die SS entzündet hatte. So entstand, zumindest in der Phantasie, ein vollständiges Sonnenzeichen in Reichsgröße.10 Dem konfessionellen Gegner, also dem Christentum und besonders der katholischen Kirche, wurde ja, wie eingangs erwähnt, ohnehin vorgeworfen, sich germanisches Brauchtum angeeignet und dieses ausgenutzt zu haben. Dieses sollte nun vom kirchlichen Einfluss wieder in die Obhut von Staat und Partei kommen, um wieder seine ursprüngliche Bedeutung zu erhalten. In einem Bericht der Sicherheitsdirektion Linz über das religiöse Leben vom November 1942 heißt es: „Es genügt keinesfalls, gegen alteingeführte Volksbräuche, die die Kirche ausnützt, mit Gewaltmaßnahmen einzuschrei- ten. Die weltanschaulichen Gegner können sich nur solange auf die Gestal- tung angeeigneter deutscher Volksbräuche stützen, als nicht die Partei ihrer- seits die Initiative ergreift und die Menschenführung auch an den Feiertagen des Volkes bei festlicher und ernster Gelegenheit übernommen hat.“11 Dieses Verdrängen, ja Verbieten christlichen Gedankengutes, die Aneig- nung und Regermanisierung wird am deutlichsten bei der Feier des Weih- nachtsfestes, des „deutschesten aller deutschen Feste“, wie es Goebbels ge- nannt hat. Innerhalb von rund 20 Jahren wurde so aus dem christlichen Fest der Geburt des Erlösers ein altgermanisches Sippenfest. Diese Entwicklung ist eng verknüpft mit der Entwicklung der nationalsozialistischen Partei und des Staates. Der Vorwurf, das Christentum hätte altgermanisches Brauchtum, vor al- lem der Wintersonnenwende, annektiert und nutze es aus Spekulation aus, erscheint ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert und verstärkt sich ab der Jahrhundertwende. Vor allem antiklerikale Kreise waren in diese Richtung tätig. Nationale Vereinigungen veranstalteten Julfeste, und auch die Sozial- 10 Thöne, Licht-, Feuer- und Dunkelsymbolik 18-31; Gerhard Gaigg, Deutsche Weihnach- ten. Zur Umwandlung des Christfestes im Nationalsozialismus. In: OÖ. Heimatblätter H 3/4 (2005) 187-189 11 Kühberger, Grenzen der Inszenierung 207
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