Volltext: Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs Nr. 23 (Nr. 23 / 2013)

Die Vereinnahmung des Brauchtums durch den Nationalsozialismus 43 schen Quellen verknüpft. Während man jedoch in der frühen Forschung noch um Wissenschaftlichkeit im Rahmen der damaligen Erkenntnisse be- müht war, waren im Nationalsozialismus die Ergebnisse vorgegeben, und die Tatsachen wurden daran angepasst, um nicht zu sagen zurechtgebogen und manipuliert. Je mehr man diese Vorstellung eines idealisierten, bäuerlich sesshaften und in Sippen gegliederten Germanentums propagierte, desto notwendiger wurde die Untermauerung dieser Anschauung durch entspre- chende Erkenntnisse. So wurde etwa die amerikanische Herkunft des Muttertages schlichtweg geleugnet und als skandinavisch umgedeutet, die damit verbundene Kom- merzialisierung, die zu seiner Ausbreitung in Deutschland seit 1922 beige- tragen hatte, als jüdische Geschäftemacherei abqualifiziert und in einem be- völkerungspolitischen und rassenideologischen Sinn mit der Verleihung des Mutterkreuzes neu besetzt. Natürlich blieb auch der politische Feiertag schlechthin, der 1. Mai, nicht von politischer Einflussnahme verschont. Der erste Mai war von der zweiten sozialistischen Internationale 1889 als „Tag der Arbeit“ beschlossen worden. 1919 wurde er in Österreich zum Feiertag erhoben und wurde bis 1933 als Arbeiterfeiertag mit Aufmärschen und den damals üblichen Massenveran- staltungen, an denen die verschiedensten Arbeitervereine mitwirkten, began- gen. 1934 trat am 1. Mai die neue ständestaatliche Verfassung in Kraft, und der Tag wurde als Staatsfeiertag mit Ständeumzügen begangen. Das Datum wurde, wie Dollfuß in einer Rundfunkrede ausführte, ganz bewusst gewählt, „weil der 1. Mai, der Träger der Symbole der erwachenden und erwachten Natur, auch gleichzeitig der Tag der Jugend ist, als Tag der Arbeit gilt und den Beginn des der Muttergottes geweihten Monats kündet. Der neue Staats- feiertag am 1. Mai soll die Freude der Jugend und an der Jugend wiederbrin- gen. Der zum Kampftag proletarischen Klassenwahns erniedrigte 1. Mai soll wieder zum Tag aller Arbeiter werden“. Also auch hier eine Vereinnahmung und Verbindung mit anderen Motiven, etwa der erwachenden Natur, und natürlich mit katholischen Glaubenselementen. In den gewissen Grundzügen blieb aber die politische Ausrichtung bestehen. Das neue Konzept konnte jedoch nur wenige überzeugen. Die Feierlichkeiten wurden praktisch nur von Anhängern des Ständestaates bzw. „Zwangsverpflichteten“ besucht. Der Nationalsozialismus ging weiter. Nicht nur, dass der Begriff der „Ar- beit“ nun weiter gesehen wurde und in der Vorstellung der Volksgemein- schaft keine Unterschiede zwischen den einzelnen schaffenden Gruppen gemacht wurde, versuchte man auch, die politischen, profanen Wurzeln zu verdecken und durch die Einbeziehung von Maibäumen und anderen lokalen Brauchelementen eine Kontinuität zu schaffen und die Maifeier als altes ger- manisches Fest darzustellen. So schrieb die oö. Bauernzeitung über den 1. Mai 1938: „Maibäume haben vom alten Brauchtum gesprochen, das durch
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.