Volltext: Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs Nr. 23 (Nr. 23 / 2013)

304 Florian Schwanninger Konsens weitgehend verankert und vom offiziellen Österreich anerkannt zu sein. Diese an sich begrüßenswerte Entwicklung hin zu einem zunehmend konsensuellen Gedenken und Erinnern ist dennoch mit Vorsicht zu betrach- ten, und Euphorie scheint kaum angebracht. Auch wenn die heißen Debatten der Vergangenheit angehören – in vielen Gemeinden, vor allem am Land, sind die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit und das Gedenken an die Op- fer noch immer keine Selbstverständlichkeit. In manchen Orten wurden zwar sogar mit Beteiligung des Kameradschaftsbundes, der nach der Jahrtausend- wende auch das Gedenken an die „zivilen Opfer“ des Nationalsozialismus zu seinem Ziel erklärte, Zeichen der Erinnerung an vom Regime ermordete Menschen gesetzt. Dennoch fehlen in den meisten Gemeinden Oberöster- reichs nach wie vor Zeichen der Erinnerung an die lokalen NS-Opfer. So gibt es auch beispielsweise abseits der größeren Städte kaum Straßenbenen- nungen nach NS-Opfern oder WiderstandskämpferInnen, auch nicht in den meisten Bezirkshauptstädten. Diese Tatsache steht in einem eigenartigen Kontrast zum Gefühl der „Übersättigung“ mit zeitgeschichtlichen bzw. NS-Themen, das bei vielen Menschen vorzufinden ist – ein Gefühl, es sei zu diesem Thema ohnehin schon alles er-, wenn nicht sogar „überforscht“. Betrachtet man die rechtsradikalen Vorfälle der letzten Jahre in Oberös- terreich, so drängt sich die Frage auf, ob die vielen Bemühungen zur Aufar- beitung der NS-Zeit und zum Gedenken an ihre Opfer, die pädagogischen Initiativen und die Vermittlungsangebote überhaupt Früchte tragen. Dass Gedenkstättenbesuche und die Beschäftigung mit der NS-Zeit kein Allheil- mittel gegen rechtsradikale Tendenzen bei Jugendlichen sein können, wurde von der Pädagogik bereits längst erkannt. Die Auseinandersetzung von Ju- gendlichen – und auch Erwachsenen – mit der Geschichte des Nationalsozia- lismus kann nicht losgelöst von zahlreichen weiteren Faktoren betrachtet werden, die die politische Prägung eines Menschen ausmachen. Daher eine politische Immunisierung durch die Aufarbeitung der NS-Zeit zu erwarten, wäre bei weitem zu viel verlangt. Dennoch: Ein besonders wichtiges Ziel neben dem würdigen Gedenken an die Opfer muss es heutzutage sein – wo wir die Schwelle vom kommuni- kativen zum kulturellen Gedächtnis bereits überschritten haben und nur mehr wenige Menschen leben, die aus eigener Erfahrung von Verfolgung oder Haft erzählen können – die Ereignisse der NS-Zeit in adäquater Form an die kommenden Generationen zu vermitteln. Hierfür wird es kaum reichen, wenn jeder Ort von Terror und Verfolgung mit einer Gedenktafel oder einem Mahnmal markiert wird, wenn mittels Straßennamen und auf Denkmälern der Namen der Opfer gedacht wird. Eine adäquate Vermittlung im Sinne der Menschenrechtserziehung, die Verknüpfung von historischen Ereignissen
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