Volltext: Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs Nr. 23 (Nr. 23 / 2013)

292 Florian Schwanninger vor allem durch die Erstellung eines umfangreichen Archives, das NutzerIn- nen für Recherchen zur Verfügung steht. Das Schicksal der über Jahrhunderte in Oberösterreich lebenden so ge- nannten „Zigeuner“ – hauptsächlich handelte es sich dabei um Sinti – deren „plötzliches Verschwinden“ in den Jahren 1940/41 nach 1945 zu den großen „Geheimnissen“ in zahlreichen oberösterreichischen Orten gehörte (und gehört), wurde mit den beginnenden 2000er Jahren vor allem aufgrund des Engagements von Einzelpersonen und lokalen Vereinen aufgearbeitet. Ein wichtiger Beitrag zur Beschäftigung mit der Geschichte der Sinti und ihrer nahezu gänzlichen Vernichtung während der NS-Zeit kam von ihnen selbst. Vor allem über den Verein Ketani, einem Kulturverein für und von Sinti und Roma in Oberösterreich, wurden Bemühungen zur Aufarbeitung der Ge- schichte dieser Minderheit unterstützt.452 Während der Zeit des Nationalsozialismus waren über 90% der Sinti und Roma aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit vernichtet worden, insgesamt waren es ca. 600.000 Opfer. Nach 1945 hatten es die Überlebenden schwer, als NS-Opfer anerkannt zu werden und eine Entschädigung zu erhalten. Au- ßerdem war es für viele schwierig, sich in die Nachkriegsgesellschaft ein- zugliedern, Armut und auch Analphabetentum waren häufig.453 Aus den eigenen Reihen gab es infolgedessen über die mündliche Überlieferung hin- aus kaum Versuche einer Aufarbeitung der Geschichte ihrer Verfolgung, von Seiten der österreichischen Gesellschaft und genauso der Geschichtswissen- schaft war jahrzehntelang so gut wie kein Interesse vorhanden.454 Einen wichtigen Impuls für die Beschäftigung mit der Geschichte der Sinti in Oberösterreich gab die Veröffentlichung von Ludwig Lahers Roman „Herzfleischentartung“ im Jahr 2001.455 Dieser Roman schildert aufgrund historischer Tatsachen die Einrichtung eines „Arbeitserziehungslagers“ während der NS-Zeit in einer oberösterrei- chischen Landgemeinde, das Leben und Sterben im Lager und den Umgang der Bevölkerung mit diesem Ort des Terrors in ihrer unmittelbaren Nähe. Nach der Schließung des Lagers, die historisch höchst ungewöhnlich erfolgt war, wurde das Gelände als „Zigeuneranhaltelager“ genutzt, wo über 300 452 Informationen zum Verein findet man unter: http://www.sinti-roma.at/ (aufgerufen am 17.7.2012) 453 Vgl. http://www.sinti-roma.at/projekte.htm (aufgerufen am 17.7.2012) 454 Ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg der Aufarbeitung war die Dissertation von Erika Thurner, Die Zigeuner als Opfer nationalsozialistischer Verfolgung in Österreich (Diss. Univ. Salzburg 1982) 455 Ludwig Laher, Herzfleischentartung (Innsbruck 2001). Die historischen Fakten, die Laher als Basis seines Romans verwendete, stellte er in einem Aufsatz in den Oö. Heimatblättern dar: Das Arbeitserziehungs- und Zigeuneranhaltelager Weyer-St. Pantaleon des Reichsgaues Oberdonau (1940-1941). In: Oberösterreichische Heimatblätter 1/2, 55. Jg. (2001) 53-65
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.