Erinnern und Gedenken in Oberösterreich 275
tigte sich die Historiographie – mit wenigen Ausnahmen – kaum noch mit
dem Widerstand, hingegen standen die Wehrmacht und ihre Verbrechen, die
NS-Euthanasie und -Medizin, der Kunstraub und die Zwangsarbeit im Fokus
des Forschungsinteresses.373 Die Verbreiterung der Themen, die bereits an-
gesprochen wurde, sollte ab den 1990ern Jahren auch mit einer zunehmen-
den Regionalisierung der Forschung und Dokumentation korrespondieren.
Vermehrt berichteten oberösterreichische ZeitzeugInnen von ihren Erlebnis-
sen während der Jahre 1938 bis 1945 und über die Geschehnisse auf lokaler
Ebene.374 Die Gründung von Verlagen, die Publikationen zu regionalen
Aspekten des Nationalsozialismus publizierten, unterstützte diese Entwick-
lung bzw. war zu einem gewissen Teil selbst Reaktion auf den verstärkten
Wunsch nach Aufarbeitung der lokalen/regionalen Geschichte.375
In den 1990er Jahren konnte nicht zuletzt die Zentralisierung des Geden-
kens auf die KZ-Gedenkstätte Mauthausen endgültig durchbrochen werden.
Diese war ohnehin vor allem ein österreichisches Phänomen. Wie erwähnt
waren die einzelnen Orte des Terrors in Oberösterreich, vor allem die Au-
ßenlager des KZ Mauthausen, vor allem hierzulande „weiße Flecken“ auf
der Karte der Erinnerungsorte. In der Wahrnehmung und der Gedenkpraxis
beispielsweise italienischer oder französischer Initiativen, ehemaliger Häft-
linge und deren Angehöriger waren diese Orte immer präsent gewesen und
hatten über einen hohen Stellenwert verfügt. Diese Orte, wie z. B. Ebensee
oder Hartheim, konnten nun zunehmend in die oberösterreichische Öffent-
lichkeit (zurück)geholt werden.
In den 1990er Jahren wurden in Oberösterreich die Fundamente für zwei
weitere dauerhaft betriebene und mit wissenschaftlichem Personal besetzte
Gedenkstätten neben der KZ-Gedenkstätte Mauthausen gelegt. Der bereits
Ende der 1980er Jahre gegründete Verein Zeitgeschichte Museum Ebensee,
dessen Absicht es war, neben einem zeitgeschichtlichen Museum auch eine
Dauerausstellung auf dem ehemaligen Lagergelände zu errichten, konnte sei-
ne Ziele nach und nach umsetzen. 1990 wurde ein Teil der unterirdischen
Rüstungsstollen angemietet, 1994 brachte der Verein Informationstafeln an
und konnte 1996 schließlich den Gedenkstollen dauerhaft für BesucherInnen
öffnen. Im selben Jahr wurde eine wissenschaftlich fundierte Dauerausstel-
373 Ganglmair, Widerstand 1461
374 Verlagsgründungen wie der „Edition Geschichte der Heimat“ oder des Wagner Verlags,
die zahlreiche Publikationen zu regionalen Aspekten des Nationalsozialismus publizier(t)en,
unterstützten diese Entwicklung bzw. waren zu einem gewissen Teil selbst Reaktion auf den
verstärkten Wunsch nach Aufarbeitung der lokalen/regionalen Geschichte.
375 Zu nennen wären hier beispielsweise die Edition Geschichte der Heimat oder der Wagner
Verlag, die zahlreiche zeitgeschichtliche Arbeiten auf lokaler/regionaler Ebene aufgriffen und
publizierten.