Das Seebeuterecht. — Die Kaperei.
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unter dem Schein des Völkerrechts ein Mißbrauch geübt wurde,
der mit dem Verlangen nach Gerechtigkeit ebenso unvereinbar war wie mit
den Interessen des Handels. Wenn das Königreich Preußen und die junge
amerikanische Republik 1785 die Kaperei in etwaigen Kriegen untereinander
verboten und den Handel geschützt hatten — weshalb sollte dies nicht auch
anderen Staaten möglich sein? In der Tat wurde wenige Jahre später
(1792) der französischen Gesetzgebenden Versammlung von dem
Abgeordneten Kersaint der Entwurf eines Dekrets vorgelegt, das die Kaperei
grundsätzlich mißbilligte und das Privateigentum auch im Seekrieg schützen
wollte. Das französische Parlament empfahl daraufhin Unterhandlungen
mit den übrigen Seemächten. Schon im Jahre darauf kamen Verträge mit
Hamburg und den übrigen deutschen Hansestädten zustande, in denen gegen
seitig auf Kaperei Verzicht geleistet wurde. England aber wollte auf keinen
Vorschlag dieser Art hören. Es verdiente zu gut bei dem staatlich autorisierten
Korsarentum der Kaperei, als daß es Zugeständnisse hätte machen wollen.
1823 wurden neue Versuche zur Abschaffung der Kaperei unternommen.
Frankreich erklärte damals, es werde in dem Krieg gegen Spanien keine
Kaperbriefe ausgeben und die feindlichen Handelsschiffe nicht aufbringen.
Indessen weigerte sich Spanien, auf die Kaperei zu verzichten, und England
erklärte mit kaum verhüllter Schadenfreude, es werde als neutraler Staat
zwar keine Kaperschiffe ausrüsten, jedoch den spanischen Kapern seine Häfen
nicht verschließen. Zur selben Zeit schlug der Präsident der nordameri
kanischen Union, James Monroe, Rußland und Frankreich die Abschaffung
der Kaperei nicht nur durch Privatschiffe, sondern auch durch die Kriegsflotte
vor. Auch diesmal widersprach England, mit ihm einige andere Staaten,
so daß der Vorschlag nicht durchdrang.
Immerhin urteilte das öffentliche Gewissen der Völker
gemeinschaft nun so scharf über die Kaperei, daß jeder Staat, der sie
weiter anzuwenden versuchte, das Brandmal der Verachtung auf sich zog.
Die Ausstellung von Kaperbriefen wurde daher immer seltener. Als der
Krimkrieg ausbrach, erklärten am 29. März 1854 Frankreich und — man
staunt — England, sie wollten keine Kaperbriefe gewähren. Rußland gab
darauf dieselbe Erklärung ab.
Die pariser Deklaration (856.
Während England noch in den beiden großen Kriegen gegen Frankreich,
die es um die Wende vom 18. Jahrhundert zum 19. führte, unnachgiebig an
der Art des Seekriegsrechts festgehalten hatte, die den britischen Augen wohl
gefällig war, während es also die Rechtmäßigkeit der Kaperei, ferner der
Beschlagnahme feindlicher Waren auch auf neutralen Schiffen verteidigt und
dem Begriff der Konterbande eine so unsichere Auslegung gegeben hatte, daß
man je nach Bedarf alles darunter verstehen konnte, während es sogar darauf