Volltext: England als Seeräuberstaat

Der Widerspenstigen Zähmung. 
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schichte des Völkerrechts umfaßt — das zeigt selbst ein Blick in objektive eng 
lische Geschichtswerke — für kein anderes Volk eine solche Fülle von Schand 
taten wie für England. 
Dort, wo es herrschte — namentlich zur See — haben sich rechtliche Zu 
stände im Kriege niemals ausbilden können. Infolgedessen hatdasganze 
Seekriegsrecht, mit Ausnahme der Pariser Deklaration von 1856, 
heute keinen einzigen feststehenden Rechtssatz. Jedenfalls ist 
dies ein Zustand, der so nicht dauern kann — zumal da England sich bei jeder 
völkerrechtlichen Abmachung Hintertüren offen zu halten strebt, durch die es 
selbst nach Gutdünken entschlüpfen mag, sobald es seine Gegner völkerrecht 
lich gebunden zu haben glaubt. 
Niemals hatte es erwartet, daß die Folgen dieser Unbestimmtheit für 
jemand anders denn das Ausland bedenklich werden könnten. Erst jetzt er 
fährt es die Wahrheit des Spruches: Wer andern eine Grube 
gräbt, fällt selb st hinein. Es leidet in dem Kriege, den es gegen 
Deutschland leichtfertig entfesselte, so schwer, daß mit großer Wahrscheinlich 
keit anzunehmen ist, nach dem Friedensschluß werde es zu den Mächten ge 
hören, die gern die Hand zu einer gründlichen Einschränkung der Rechte der 
Kriegführenden zur See bieten werden — wenn auch John Bull wahrschein 
lich so tun wird, als lasse er sich die neuen Fortschritte nur durch die Rücksicht 
auf die „Freiheit" und das Wohl anderer Völker abzwingen, während sie 
seinen eigenen Interessen widersprächen. 
Es bedurfte, um bis zu diesem Punkt vorzudringen, der Entwickelung 
einer zweiten Seemacht neben England, weil Grundsätze der Menschlichkeit 
oder der Gerechtigkeit für letzteres in seinem Verhalten gegen andere Völker 
niemals maßgebend gewesen sind. Nur Kraft und Gewalt impo 
nieren ihm. Beides hat es nun in einem Maße kennen gelernt, das es 
sich niemals hätte träumen lassen. 
England wird viel umzulernen haben. Sollte es annehmen, auf dem bis 
herigen Wege verharren zu können und etwa die jetzige Niederlage durch Ein 
führung derallgemeinenWehrpflicht und die Bereitstellung eines 
Millionenheeres in absehbarer Zeit wieder gut machen zu können, so wird 
-es sich gründlich täuschen. Denn einmal mindert sich die Entfer 
nung von Deutschland durch die von der Technik unablässig vorwärts getrie 
bene Erweiterung des Aktionsradius aller Kriegsschiffe, auch ohne jeden Stütz 
punkt in Belgien. Auch gestatten allein schon Englands wirtschaftliche Verhält 
nisse eine wirklich bedeutende Erhöhung seiner Waffen- und Seemacht nicht 
mehr. Der Krieg hat ihm hundertfach mehr gekostet, als es selbst für den 
allerschlimmsten Fall angenommen hatte. Namentlich bei der grauenvollen 
Armut eines großen Teils der englischen Bevölkerung ist nicht daran zu den 
ken, die Steuerlast so zu erhöhen, daß neben der außerordentlich kostspieligen
	        
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