Volltext: England als Seeräuberstaat

Die Stellung Deutschlands zum Seekriegsrecht. 
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Beschlagnahme von Kriegskonterbande zu beseitigen, während das Seebeute 
recht festgehalten wird. Alle Staaten, die möglicherweise mit England in 
Krieg geraten können, haben ein Interesse daran, sich gegen solche unvoll 
ständige Reform zu wehren, die schlimmer wäre als gar keine. Infolgedessen 
haben fünf der bedeutendsten Staaten gegen den englischen Vorschlag ge 
stimmt; außer Deutschland auch Frankreich, Rußland, die Vereinigten Staaten 
und die Türkei. Ihre Vertreter erklärten, die Abschaffung des Kriegskonter 
banderechts sei nicht möglich, weil man es zur Selbstverteidigung nicht ent 
behren könne, insbesondere so lange die neutralen Staaten sich nicht streng 
verpflichteten, allen Handel ihrer Kaufleute mit Kriegsmaterialien zu ver 
hindern. 
Aber selbst in Fragen, für die Deuffchland eine bestimmte Lösung wünscht, 
hat es doch stets seine Bereitwilligkeit zu erkennen gegeben, sich einer Reform 
nicht zu widersetzen, sobald diese allgemein zu völkerrechtlichen Bindungen 
führe. In den Beratungen der Londoner Seerechtskonferenz über die Frage 
der Seeminen erklärte einer der deutschen Vertreter, Admiral Siegel, 
Deutschland müsse einer Beschränkung des Minenlegens auf die Territorial- 
gewäsfer der kriegführenden Mächte widersprechen, weil man heute die Minen 
zur Verteidigung einer blockierten Küste ungefähr 20 Seemeilen vor dieselbe 
legen müsse. Er meinte ferner, ein Geschwader müsse auf der Flucht vor 
feindlichen Streitkräften auch unverankerte Minen auswerfen können, und 
zwar solche, die nicht schon nach einer Stunde unschädlich würden. Gleich 
zeitig aber erklärte der Admiral, Deutschland sei bereit, den Gebrauch un- 
verankerter Minen auf fünf Jahre zu verbieten. 
Zuweilen werden positive Vorteile aus der Beibehaltung des 
Seebeuterechts für Deutschland als möglich herausgerechnet. So 
meinte Professor v. Halle *), ein Krieg zwischen Deutschland und England 
würde überwiegende Vorteile für die Schiffahrt und den Handel der Ver 
einigten Staaten, Frankreichs und Japans mit sich bringen, während ein 
solcher zwischen Amerika und Japan ähnliche Vorteile für England und 
Deutschland in sich schließen könnte; voraussichtlich würde die Folge eine 
dauernde Stärkung der gesamten neutralen Handelsflotte sein. 
Diese Berechnung dürfte jedoch kaum zutreffen, außer wenn es sich um einen 
jahrelang dauernden Krieg handelt, wie er heute kaum zu erwarten ist. 
Allerdings haben sich alle Voraussetzungen über die Höchstdauer des Welt 
krieges als falsch erwiesen. Aber wenn der Kampf nun auch viele Monate 
anhält — mehrere Jahre dauern kann er nicht. In den ersten Monaten 
des Krieges können die neutralen Handelsflotten sich bleibenden Vorteil nicht 
verschaffen. Sie werden im günstigsten Falle vorübergehend mehr Ein 
nahmen erzielen. Alle Vorteile, die ihnen später noch zufallen, werden durch 
l ) Ernst v. Halle: Handelsmarine und Kriegsmarine. Dresden 1907, S. 69.
	        
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