Volltext: Nr. 4 1931 (Nr. 4 1931)

Setie 4 
Nachrichten 
Nr. 4 
40,60 und 80 Prozent, und wird endlich die Rente voll- 
ständig zum Ruhen gebracht. Die österreichische Gesetz¬ 
gebung kennt sonst keine Form von Pensionsstillegung, 
die ja auch den öffentlichen Pensionisten bis nun nicht 
zugemutet wurde. Es ist für die Kriegsopfer unerträg- 
lich, schon bei einem Einkommen von rund 200 3, das 
keineswegs ausreicht, um eine Familie zu erhalten, eine 
Rentenkürzung eintritt, und ereignet es sich oft, daß schon 
bei einer Lohnerhöhung von wenigen Schillingen im 
Monat die Rente der Kürzung von 20 Prozent verfällt 
oder auf sie eine höhere Kürzung angewendet wird. 
Dieser Gruppe von arbeitenden Menschen muß der Kampf 
ums nackte Leben erleichtert werden. 
5. Eine ganze Reihe von Kriegsopfern haben die recht- 
zeitige Anmeldung ihres Anspruches verabsäumt. Spä- 
tere'Rückkehr aus der Gefangenschaft, Unkenntnis des 
Gesetzes, Weiterbezug des Unterhaltsbeitrages und ähn- 
liehe Gründe waren für die Richtanmeldnng bestimmt. 
Die Regel ist jedoch, daß Invalide oder Witwen sich wäh- 
rend der ordentlichen Anmeldefrist in geregelten Verhält- 
nissen, gesicherten Existenzen befunden haben und die 
Leistungen des Staates nicht in Anspruch nehmen woll- 
ten, durch die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage 
aber nunmehr gezwungen sind, die Hilfe des Bundes in 
Anspruch zu nehmen. Bei vielen Kriegsopfern wurde das 
Leiden erst später derart verschlechtert, daß sie nunmehr 
die Hilfe des Bundes in Anspruch nehmen müssen, und 
sind später notwendig gewordene Amputationen, Erblin- 
düngen oder der Tod als Kriegsfolge keine Seltenheit, 
ohne daß dem Kriegsbeschädigten oder der Witwe eine 
Rente zuerkannt werden kann. Diesen Aermsten der 
Armen unter gewissen Boraussetzungen neuerlich die 
Möglichkeit zu geben, ihren Anspruch anzumelden, er- 
scheint durchaus gerechtfertigt. 
Dieses „Sofort-Programm" erhebt keineswegs An- 
fpruch auf Vollständigkeit und wurden nur die dringend¬ 
sten und sicherlich ohne weiteres durchzuführenden Ver¬ 
änderungen vorgeschlagen und verweisen wir im übrigen 
auf unsere Forderungen zur XII. Novelle, die in ähn- 
licher Fassung dem Rationalrat als Initiativantrag der 
Abgeordneten Hölzl, Ielenka und Genossen vorliegen. 
Der Vollständigkeit halber legen wir eine Abschrift dieser 
unserer Forderungen bei. 
Wir bitten Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, 
unser „Sofort-Programm" einer ernsten Würdigung zu 
unterziehen und Vorsorge zu treffen, damit es ehestens 
in Vollzug gesetzt wird. 
Der Bundeskanzler versprach der Deputation, die 
Forderungen zu studieren und nach Möglichkeit zu helfen. 
Kne Wächtige Kundgebung sür den 
Frieden. 
Der Korrespondenz Herwei wird aus Stuttgart be¬ 
richtet: Anläßlich der Vorstandssitzung der „Internatio- 
nalen Arbeitsgemeinschaft der Kriegsbeschädigtenvex- 
bände", an der die Vertreter der Kriegsopfer von elf 
Staaten teilnahmen, fand in der Liederhalle eine Massen¬ 
versammlung statt, an der 4500 Personen teilnahmen. 
2500 mußten, da das Lokal wegen Ueberfüllung Polizei- 
lich gesperrt wurde, aus der Straße den Schluß abwarten. 
Nach einer Eröffnungsrede des Reichstagsabgeordneten 
Roßmann hielt der diesjährige Vorsitzende Prof. Henri 
Pichot (Frankreich) in deutscher Sprache eine Rede in 
der er den Krieg als die Quelle aller Uebel bezeichnete, 
der aber auch ein wirtschaftlicher Zerstörnngskampf sei. 
Die Kriegsopfer sind Verluste, für die es keinen Ersatz 
gibt. Nur der Frieden kann die Wunden des Krieges 
heilen, deshalb ist die Losung der Kriegsopfer: „Kampf 
gegen den Krieg, gegen den Geist der rohen Gewalt und 
Zwietracht. Die Kriegsteilnehmer wissen, was Krieg ist. 
Die Mütter, Witwen, Waisen und Kriegerhinterbliebeneü 
sollten alle mit den Kriegsbeschädigten den Krieg ver- 
fluchen." Redner schilderte die Schrecken eines Zukunfts- 
krieges und tritt für die moralische und tatsächliche Ab- 
rüstung, Völkerverständigung und Wirtschaftliche Zusam¬ 
menarbeit der Nationen ein. Pichot schloß seine An- 
spräche mit den Worten: „Nie wieder Krieg! Vive la 
Republique!" Der Vorsitzende des Reichsbanners, Ober- 
Präsident a. D. Hörsing, sagte, daß es ihm eine Ehre sei, 
gleichzeitig mit einem Franzosen zu sprechen, worauf er 
in scharfer Weise mit Adolf Hitler und Ludendorff ab- 
rechnete und von Starhemberg sagte, daß dieser den 
Putsch im Münchener Hofbräuhaus als Lehrling mitge- 
macht habe. Das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" 
wünscht den Bürgerkrieg nicht, es lehnt ihn ab, es will den 
Kampf der Geister, aber es ist marschbereit. Wenn andere 
die Hände gegen die Republik erheben, wird es diese, wenn 
kein anderes Mittel bleibt, restlos und erbarmungslos' 
vernichten. Das Reichsbanner will seine ganze Kraft 
praktischer Friedenspolitik widmen, der innerpolitische 
Kamps, den es führen müsse, richtet sich gegen die Kriegs- 
Hetzer, die Deutschland an Italien oder Rußland fesseln 
wollen. — Für die polnischen Kriegsbeschädigten sprach 
Sejm-Mitglied Jan Karkoszka (Warschau), der erklärte, 
daß diese den Krieg verachten und den Frieden lieben. — 
Bundesrat Brandeisz (Wien) betonte, daß Oesterreich als 
Bestandteil der großen Republik mit Deutschland nnlös- 
bar verbunden sei. Er schilderte, wie die österreichische 
Demokratie bei den Wahlen am 9. November den Faschis- 
müs aus dem Sattel gehoben habe und sprach die Hoff- 
nung aus, daß auch in Deutschland die Faschisten bald 
ihre verdiente Niederlage erleiden werden. Im Reichs- 
tag haben sie ohnehin schon schwere Schlappen erlitten. 
Der Redner richtete an die Mütter und Eltern die Mah- 
nung: „Gebt euren Kindern kein Kriegsspielzeug! Er- 
zieht sie zu Republikanern, Friedensfreunden, dann wird 
es nie mehr Kriegsopfer geben. Wer noch Krieg will, soll 
ihn selber austragen. Der Kampf für den Frieden geht 
um eine bessere Zukunft unserer Kinder. — Für die 
Kriegsblinden sprach der Kriegsteilnehmer Hirsch (Wien), 
der im Weltkrieg schrecklich verstümmelt wurde, das 
Augenlicht verlor und dem beide Hände abgeschossen 
wurden. Er sagte: Wir leben in einer kritischen Zeit. 
Der Weltkrise ist nur durch internationale wirtschaftliche 
Zusammenarbeit zu begegnen. Boranssetzung ist hiefür 
der Friede, um den wir alle kämpfen. Wir kämpfen auch 
für die Republik und die Demokratie. Wir müssen immer 
und immer wieder auf das Verbrechen des Krieges hin- 
weifen, vor allem jenen gegenüber, die nichts gelernt 
und nichts vergessen haben und heute Diktatur spielen 
möchten. Der Kamps ist nicht leicht, denn unsere Gegner 
sind stark, doch ist zu hoffen, daß auch die große Deutsche 
Republik aus diesem Kampfe siegreich hervorgehen wird. 
(Stürmischer Beifall.) 
Zehn Zahn KriegsgeMdigtensondZ. 
Eine auf Anregung des Präsidenten des Kriegsge- 
schädigtenfonds, Dr. Josef Refch, derzeitigen Bundes- 
Ministers für soziale Verwaltung, von der Generaldirek- 
tion verfaßte Schrift, welche einen generellen Bericht über 
das Entstehen, die Verwaltung und die wirtschaftlichen 
Ergebnisse in den zehn Jahren seines Bestandes bringt, 
ist unter dem als Ueberfchrift angeführten Titel erschie¬ 
nen. Die Schriftleitung hat im Laufe der Zeit eine Reihe 
von Artikeln, die unseren Mitgliedern eingehende Aus- 
klärung über diesen Fonds und dessen unermeßliche Wich- 
tigkeit in der Fürsorge für die Kriegsopfer in den Räch- 
richten veröffentlicht und wird auszugsweise wieder
	        
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