Volltext: Nr. 2 1929 (Nr. 2 1929)

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Nachrichte« 
Nr. 2 
Invaliden. Sie verkündete die Heilsbotschaft, daß durch 
den Beitritt zum „Reichsbund der Kriegsopfer" (so nennt 
sich die Organisation), durch den Kampf gegen den Zen¬ 
tralverband das Los der Opfer des Weltkrieges verbessert 
Vierden, wieder Licht in die dunklen Stuben der armen 
Hinterbliebenen scheinen wird. 
Wir brauchen nicht erwähnen, wie sich im besonderen 
die führenden Männer dieser Organisation im Parlament 
benommen haben. Die Invaliden wissen selbst, daß diese 
Herren gegen alle Verbesserungsanträge gestimmt haben, 
vorher aber hinauszogen in die Städte und den Invaliden 
verkündeten, daß sie es sind, die sich mit all ihren Kräften 
dafür einsetzen werden, daß die Gesetze eine Verbesserung 
erfahren. 
Lediglich Wohltätigkeit zu treiben, ist ihre Aufgabe, 
sie hilft mit beim Abbau der sozialpolitischen Einrichtun- 
gen, sie hilft dadurch mit und ist schuld daran, daß viele, 
viele Invalide so wie unsere Leidensgefährten aus frü- 
Heren Kriegen, von Tür zu Tür um das tägliche Brot 
humpeln oder in die Armenversorgung der Gemeinde wan- 
dern müssen. An dieser Organisation sieht man die große 
Gefahr und die entstehenden Folgen, wenn sich eine Or¬ 
ganisation einer politischen Partei und damit der Diszi- 
plin der Partei unterwirft. 
Immer trachtete der Zentralverband, die politische 
Neutralität, die er gleich bei Gründung der Organisation 
in die Satzungen aufnahm, hochzuhalten und zu bewahren. 
Bis heute ist der Zentralverband wie seine Landesver- 
bände und Ortsgruppen diesem fundamentalen Grundsatz 
treu geblieben. Trotzdem behauptet der ,,Reichsbund der 
Kriegsopfer", daß der Ientralverband eine parteimäßig 
orientierte Organisation sei, weil er sehr häusig gegen 
die Regierung im scharfen Kampfe steht, weil er sehr häu- 
fig die Tätigkeit der Regierung auf sozialpolitischem Ge- 
biete einer Kritik unterzieht. 
Das ist eben der grnnd sätzliche Unterschied zwischen un¬ 
ser eM Zentralverbande und den Winkelorganisationen, die 
teils persönlichen Motiven, teils aus Strebertum und 
Wichtigtuerei, teils über Auftrag errichtet wurden, daß der 
Zentralverband fein Hauptaugenmerk darauf richtet, daß 
die Versorgung der Kriegsopfer gesetzlich verankert wird, 
daß er die öffentliche Wohltätigkeit als eine Notstandsmaß- 
nähme erklärt, solange die gesetzliche Versorgung unge¬ 
nügend ist, während andere Organisationen, insbesondere 
aber der „Reichsbund der Kriegsopfer", die öffentliche 
Mildtätigkeit der gesetzlichen Verankerung der Rechte der 
Kriegsopfer vorziehen. Bei diesen Tendenzen ist es nur 
selbstverständlich, daß der Zentralverband ständig im 
Kampfe steht, während der Reichsbund alles, was die Re- 
gierung unternimmt, gutheißt. 
Daß bei einer groß angelegten Wohltätigkeitstreiberei 
immer Mißtrauen hervorbricht, ist ebenso selbstverständ- 
lich. Daß vernünftig denkende Menschen, trotzdem ab und 
zu ein Brocken für sie abfällt, dieser ewigen Bettlerei und 
der Gnade der Wohltäter müde werden und eine Aende- 
rung des Kurses verlangen, ist klar. 
Diese Umstände haben scheinbar im „Reichsbund" in 
Oberösterreich den heftigsten Streit hervorgerufen. Die 
Landesleitung des Reichsbundes, an deren Spitze Herr 
Renegat Schürrer steht, hat der Ortsgruppe Linz des 
Reichsbundes, bezw. dessen Obmann, dem Gemeinde- 
rat Grinzinger, den Krieg erklärt und ihn auf Grund des 
Beschlusses eines Disziplinarsenates aus der Organisation 
ausgeschlossen. Die Ortsgruppe Linz steht jedoch hinter 
ihrem Obmann und anerkennt den Ausschluß nicht. Nun 
glaubt sich die Landesleitung bemüßigt zu fühlen, der 
Oeffentlichkeit bekanntzugeben, daß Gemeinderat Grin- 
ginger kein Recht mehr habe, als Vertreter der Organisa- 
tion bei Aemtern und Behörden vorzusprechen. Die Orts- 
gruppe antwortete in den Tageszeitungen damit, daß sie 
den vollständig satzungswidrigen Ausschluß nicht an- 
erkennt, nachdem weder dem ausgeschlossenen Obmann, 
noch dem Ortsgruppenausschuß der Grund der Aus« 
schließung zur Kenntnis gebracht wurde. Die Ortsgruppe 
ist der Ueberzeugung, daß es sich nur um rein persönliche 
Differenzen zwischen dem Bundesvorsitzenden und dem 
Ortsgruppenobmann handelt. 
An diese kurzen, nichtssagenden Mitteilungen knünken 
mehrere Artikel in Linzer Tagesblättern, die, da sie vis 
heute unbeantwortet blieben, doch einige Richtigkeit haben 
dürften. Aus diesen Artikeln geht hervor, daß aller Wahr- 
scheinlichkeit nach Gemeinderat Grinzinger aus der Or- 
ganisation ausgeschlossen wurde, weil er etwas zu neu- 
gierig wurde. Er wollte verschiedene Aufklärungen über 
Wohltätigkeitsaktionen, die man ihm schuldig blieb. Er 
war es auch, der dem Herrn Schürrer bei der Erreichung 
eines Gemeinderatsmandates hemmend im Wege stand. 
Aus diesen Gründen mußte Herr Schürrer Ausschließung?- 
gründe zusammentragen, um den unliebsamen Partner 
aus dein Wege zu räumen. Ein weiterer Artikel, der Brief 
eines Kriegsbeschädigten, befaßte sich ziemlich ausführlich 
mit der Landesleitung des „Reichsbundes" und ließ gar 
manches Bild blicken, wie die Verhältnisse beim'„Reichs- 
bund" sind. Der Brief enthält direkte Behauptungen, nach 
denen dieser Invalide es dem „Reichsbund" zu verdanken 
hat, daß er heute mit seinen sieben Kindern ohne Verdienst, 
ohne Existenz dasteht. 
Fürwahr, eine nette Organisation. 
Ein großer Teil der Mitglieder hat sich bereits mit 
Ekel von dieser Organisation abgewendet, ist indifferent 
geworden, oder hat sich wieder dem Zentralverbande an- 
geschlossen, in der Erkenntnis dessen, daß die Einigung der 
Kriegsopfer eine unbedingte Notwendigkeit ist und über- 
zeugt davon, daß im Zentralverband alle, welch Standes 
und Ranges, welch religiöser und politischer Ueberzeugung 
sie auch sein mögen, Schutz und Hilfe finden. 
„Ist das notwendig?" fragen wir und wir antworten: 
„Nein!" Es ist nicht notwendig, daß mehrere Organisatio- 
nen bestehen, die wirklich oder angeblich die Interessen der 
Kriegsopfer vertreten. Es ist ein Verbrechen an der Sache 
der Kriegsopfer, sie dadurch, daß man sie in mehreren Or- 
ganisationen gegeneinander hetzt, den Streit zwischen 
ihnen zu entfachen, anstatt sie einem gemeinsamen Ziele 
in einer einzigen Organisation zuzuführen. 
Ein Schicksal, ein Leid, das gleiche Elend haben alle zu 
tragen, ein Ziel, ein gemeinsames Ziel, haben alle vor 
ihrem Auge: Gesetzlich die Versprechungen von 1914 bis 
1918 in die Tat umgesetzt zu sehen. 
Kriegsopfer! Erkennet in dem Streit, der im „Reichs- 
bunde" entbrannt ist, daß dort nicht euer Sein ist, er¬ 
kennet, daß die Invaliden und Hinterbliebenen nicht durch 
Parteihader getrennte Wege gehen sollen, sondern daß 
sie, ja vielleicht sogar auch oft um einer falschen Sache 
willen, einen gemeinsamen Weg beschreiten sollen. Wir 
rufen euch allen, möget ihr welche Gesinnung immer 
tragen, zu: „Schließet die Reihen, kämpfet mit im Inter¬ 
esse eurer selbst, im Interesse der Allgeineinheit für die ge- 
meinsame Sache!" 
Sie saziale Gesetzgebung in der 
Revndltt. 
Von Bundesminister Dr. Resch.*) 
Kriegsbeschiidigtenfursorge. 
Der Weltkrieg 1914—1918 mit dem Aufgebot aller 
wehrfähigen Männer für den Frontdienst und der übrigen 
erwerbstätigen Bevölkerung für die Arbeiten im Hinter- 
lande und mit der restlosen Ausnützung aller technischen 
Errungenschaften für die Kriegführung, die weit mehr 
*) Wir entnehmen nachstehende Ausführungen der Fe-stnummer 
der „Wiener Zeitung" vom 11. November 1S28. Wir bringen bloß 
den die Kriegsbeschädigten betreffenden Teil zum Abdruck.
	        
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