Volltext: Nr. 6 1928 (Nr. 6 1928)

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Nachricht«» 
Rr.ß 
Tage- und wochenlang wurde im Völkerbund ver- 
handelt, Resolutionen wurden beschlossen/ Petitionen 
eingebracht, um den Krieg durch die Einsetzung eines 
internationalen Schiedsgerichtes friedlich auszutragen, 
Waffengewalt zu verhindern. Keiner der Großstaaten 
konnte sich aber entschließen, einer allgemeinen Abrüstung 
zuzustimmen. Die Verhandlungen haben keinen Erfolg 
gezeitigt. 
Da kam Rußland mit einer Deklaration, welche durch 
den stellvertretenden Volkskommissar für auswärtige An¬ 
gelegenheiten, Litwinow, bei der Sitzung der vorberei¬ 
tenden Abrüstungskommission yom 30. November v. I. in 
Genf verlesen wurde. 
Diese lautet: 
Da die Regierung der U. d. S. S. R. nicht die Mög¬ 
lichkeit hatte, an den Arbeiten der dritten Tagung der 
vorbereitenden Kommission zur Abrüstungskonferenz teil- 
zunehmen, hat sie ihre Delegation zur vierten Tagung 
der vorbereitenden Kommission beauftragt, eine Deklara¬ 
tion zur Verlesung zu bringen, die alle mit dem Abrü- 
stungsproblem verbundenen Fragen berührt. 
1. Die Regierung der 11. d. S. S, R. ist nach wie vor 
der Meinung, daß man unter den Bedingungen der ka¬ 
pitalistischen Ordnung nicht auf die Beseitigung der Ur- 
fachen rechnen kann, die bewaffnete Konflikte erzeugen. 
Beim Bestände des kapitalistischen Systems sind Mi- 
litarismus und Marinismus dem Wesen nach die natür¬ 
lichen Folgen dieses Systems. Sie selbst vertiefen durch 
ihr Wachstum die bestehenden Gegensätze, beschleunigen 
und verschärfen in gigantischem Maße die Entwicklung 
der verborgenen, potentiellen Konflikte und verwandeln 
sie unvermeidlich in bewaffnete Zusammenstöße. 
Die durch den imperialistischen Weltkrieg von 1914 
bis 1918 ausgebluteten und verarmten Völker aber sind 
voller Bereitschaft, gegen neue imperialistische Kriege und 
für die Sicherung des Völkerfriedens zu kämpfen. 
Gerade diese Tatsache gestattet es der Sowjetregie- 
rung, die Einladung des Völkerbundes anzunehmen, der 
in seinen Erklärungen für die Abrüstung auftritt, und 
auf diese Weise den Willen der Sowjetregierung zur Er- 
. Haltung des Friedens vor der ganzen Welt zu demsn- 
strieren und vor den Arbeitern aller Länder die wirkli- 
che« Bestrebungen und Wünsche der kapitalistischen Staa¬ 
ten in der Frage der Abrüstung offenbar werden zu 
lassen. 
Trotzdem der Weltkrieg 1914 bis 1918 als ...letzter 
Krieg" bezeichnet wurde, ist doch die Geschichte der inter- 
nationalen Beziehungen der Rachkriegszeit gekennzeich- 
net durch die systematische Verstärkung der bewaffneten 
Kräfte der kapitalistischen Staaten, durch die gigantische 
Vergrößerung der Lasten des Militarismus, die auf den 
Schultern der breiten werktätigen Massen liegen. 
Die Welt hat bisher keine auch nur teilweise Durch- 
führung der feierlichen Versprechungen des Völkerbundes 
zu sehen bekommen. In seiner Tätigkeit in dieser Frage 
weicht der Völkerbund systematisch einer praktischen Auf- 
rollung der Abrüstungsfrage aus. 
Die gesamte diesbezügliche Arbeit der vorbereitenden 
Kommission trug ausschließlich dekorativen Charakter. 
So hat sich der Völkerbund zum Beispiel erst im Jahre 
1924 an die Frage der allgemeinen Abrüstung herange- 
macht. Die Einberufung einer allgemeinen Abrüstungs- 
konferenz wurde für den 1. Mai 1925 in Aussicht , ge- 
nommen. Trotzdem ist bis heute nicht nur die Sache der 
allgemeinen Abrüstung nicht vorwärts gekommen, es 
konnte nicht einmal der Zeitpunkt der Konferenz fixiert 
werden. 
Nicht weniger fruchtlos „beschäftigt" sich der Völker¬ 
bund feit dem Jahre 1920 mit der Frage der Verringe- 
rung der Militärbudgets. 
Der Mangel an Willen beim Völkerbund sowohl als 
auch bei den einzelnen imperialistischen Staaten, in Ta° 
ten eine Politik der Abrüstung zu betreiben, fand seinen 
Ausdruck auch in der Arbeitsmethode, in der Verquickung 
der Fragen der Abrüstung und der Garantien, wobei ver- 
sucht wird, alle Faktoren, die die militärische Macht eines 
Staates bestimmen, in allen Details in Erwägung zu zie- 
hen. Eine derartige Fragestellung, die unendliche und un¬ 
fruchtbare Diskussionen über das sogenannte militärische 
Potentiale hervorruft, bietet tatsächlich nur die Möglich- 
keit, der Aufrollung der grundlegenden und entscheiden- 
den Frage des konkreten Ausmaßes der Abrüstung aus- 
zu weichen. 
Es steht außer jedem Zweifel, daß bei der künftigen 
Abrüstungskonferenz bei einer derartigen Stellung der 
Frage nicht nur keine Verringerungen der bestehenden 
Rüstungen erfolgen werden, sondern daß die Mitglieds- 
staaten des Völkerbundes mich noch die Möglichkeil er¬ 
halten werden, auch fernerhin ihre Rüstungen legal zu 
verstärken. 
Die Sowjetregierung hat sich systematisch um die Auf» 
rollung der Abrüstungsfrage in ihren konkreten Formen 
bemüht. Ihre Bemühungen stießen aber auf den hart- 
nackigen.Widerstand der anderen Staaten. Die Sowjet- 
regierung, die einzige Regierung, die ihren Friedens» 
und Abrüstungswillen in ihren Taten bewiesen hatte, 
wurde zu der Washingtoner Abrüstungskonferenz von 
1921 bis 1922, die besonders den Fragen der Verringe- 
rung der Seerüstungen gewidmet war, nicht zugelassen. 
Der Vorschlag einer allgemeinen Abrüstung, den die 
Sowjet-Delegation bei der Genfer Konferenz am 
10. April 1922 machte, wurde von den Leitern der Konse» 
renz abgelehnt. 
Ungeachtet aller Widerstände hat die Sowjetregierung 
ihre beharrlichen Versuche in der angeführten Richtung 
nicht aufgegeben. Im Dezember 1922 berief die Sowjet- 
regierung eine Konferenz der Randstaaten ein, um mit 
ihnen über das Problem einer proportionellen Abrüstung 
zu verhandeln. Die Sowjetregierung war einverstanden, 
ihre Rüstungen wesentlich herabzusetzen, trotzdem diese 
Maßnahme eine ganze Reihe von Großmächten nicht be- 
rührt hätte, die auf Grund bestehender Verträge und auch 
ohne diese immer bereit sind, den übrigen auf der Mos- 
kauer Konferenz vertretenen Stallten im Falle eines Kon- 
fliktes mit der Sowjetunion zu Hilfe zu kommen. 
Bei der erwähnten Konferenz schlug die Sowjetre- 
gierung einen konkreten und begründeten Plan zur Ver¬ 
ringerung der Rüstungen vor. Dieser Plan wurde aber 
ebenfalls abgelehnt. 
Ungeachtet ihrer negativen Einstellung zu den Arbei- 
ten des Völkerbundes nahm die Sowjetregierung die vom 
12. Dezember 1925 datierte Einladung zur Teilnahme an 
der künftigen Abrüstungskonferenz doch an. Der fowje- 
tistisch-fchweizerische Konflikt, der durch die Ermordung 
des bevollmächtigten Vertreters der U. d. S. S. R., W» 
W. Worowski, und den Freispruch des Mörders durch ein 
schweizerisches Gericht hervorgerufen war, nahm der U. 
d. S. S. R. die Möglichkeit zur Teilnahme an den vor- 
angegangenen Tagungen der vorbereitenden Kommission. 
Indem die Regierung der U. d. S. S. R. ihre Dele- 
Aktion zur VI. Tagung der Vorbereitungskommission der 
Abrüstungskonferenz entsendet, beauftragt sie sie, mit den, 
Plan einer allgemeinen und vollständigen Abrüstung 
hervorzutreten. 
2. Die Delegation der U. d. S. S. R. ist von ihrer 
Regierung bevollmächtigt, die vollständige Aufhebung 
aller Rüstungen zu Lande, zur See und in der Luft vor- 
zuschlagen. 
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