Volltext: Nr. 3 1928 (Nr. 3 1928)

Nr. 3 
Nachricht«« 
Seite 13 
Arbeitsvermittlung «n 
Bon Karl Roth, Obmann des Aktionsausschusses der 
Tausende und Abertausende von gesunden Männern 
Wurden durch die Einwirkung feindlicher Waffen ver¬ 
stümmelt, tausende zogen sich ein unheilbares Leiden zu, 
das sie voll oder teilweise erwerbsunfähig machte. Mit 
Bangen sahen all die Verwundeten und Kranken in die 
Zukunft, die ach so düster schien. Sie wußten, daß sie, 
wenn sie infolge ihrer Schädigung ihrem Berufe nicht 
mehr nachkommen können, vielleicht das Los der Kriegs-- 
invaliden aus früheren Kriegen ertragen müssen: Mit 
einem Werkel umgetan, von Haus zu Haus das Trot zu 
suchen. Nicht umsonst sahen sie mit Bangen in die Zu- 
kunft. Das was sie während des Krieges, als sie in den 
Spitälern lagen, vermuteten, ist eingetreten: Ueberall 
wurden sie als Mindererwerbsfähige abgewiesen, konnten 
fie doch den, Unternehmer nicht jenen Mehrwert schaffen, 
den ein Gesunder zu schaffen in der Lage ist. Sie erhoben 
daher vereint im Zentralverband der Kriegsinvaliden und 
Kriegerhinterbliebenen die Forderung auf Schaffung 
eines Zwangseinstellungsgesetzes. 
Der damalige Staatssekretär für soziale Berwaltung 
Hanusch, brachte den Forderungen Verständnis entgegen 
und schuf das Invaliden-Beschäftigungs-Gesetz, mittels 
welchem die Unternehmerschaft gezwungen werden soll, 
auf je 25 Arbeiter und Angestellte einen Kriegsbeschädig¬ 
ten mit einer mindestens 35—45 prozentigen Erwerbs- 
verminderung einzustellen. Selbstverständlich wurden in 
den Kreisen des Industriellenverbandes und der Unter- 
nehmer-Organisationen laute Protestrufe erhoben, da 
durch diese Last die gesamte Wirtschaft, die gesamte In- 
dustrie zugrunde gehen müsse. Gerade diejenigen, die sich 
nicht genug als warme Patrioten zeigen konnten, die 
immer und immer wieder die ins Feld ziehenden Solda- 
ten aneiferten mit dem Versprechen, daß die Heimat, im 
Falle ihnen ein Leid zustoßen sollte, für fie oder ihre 
Hinterbliebenen sorgen werde, zählten zu den lautesten 
Schreiern gegen das Invaliden - Beschäftigung« - Gesetz. 
Als sie Gelegenheit gehabt hätten, ihren Patriotismus, 
ihre Heimatliebe, ihre Liebe zum Volke praktisch zu zeigen, 
fielen sie um und wollten von den Invaliden nichts mehr 
wissen. 
Das Invaliden-Beschästigungs-Gesetz gab einer Reihe 
von Invaliden die Möglichkeit, wieder einzutreten in das 
Erwerbsleben, um dem Staate und der Gesellschaft, der 
Allgemeinheit zu dienen. Allerdings wurde das Gesetz 
nach allen Regeln der Kunst sabotiert. Es bedurfte da- 
her aller Anstregungen, um dem Gesetze Geltung zu ver- 
schaffen. Besonders in Oberösterreich mangelt es sehr 
an der Durchführung desselben. Jahrelang wurden die 
Unternehmer nicht verpflichtet, Invalide einzustellen, 
jahrelang zahlten sie keine Ausgeichstaxe. 
Im November 1926 schlössen sich nun in Linz einige 
Kameraden zusammen, die unter der Leitung des Landes- 
Verbandes dem Invaliden-Beschäftigungs-Gesetze die not¬ 
wendige Geltung verschaffen wollten. In der einberufe- 
nen sehr gut besuchten Arbeitslosenversammlung wurde 
Kamerad O e ck e r zum Obmann des Arbeitslosenkomi- 
tees gewählt, der es als seine erste Aufgabe betrachtete, 
einmal alle Betriebe zu erforschen, die einstellungspflichtig 
sind. Es ist ihm dies auch voll gelungen. Die zweite 
und zugleich wichtigste Aufgabe war, bei der Invaliden- 
Cntschädigungs-Kommission zu erreichen, daß endlich ein- 
mal ein eigener Beamter mit dem Referat betraut wird. 
Eine Deputation unter Führung des Landesverbandes 
sprach bei Herrn Ministerialrat Karwinsky vor, welcher 
in entgegenkommender Weise versprach, den Forderungen 
der arbeitslosen Kriegsinvaliden Rechnung zu tragen. 
Ein eigener Beamter wurde bestellt und nun gings ans 
) Arbeitslofenfürsorge. 
arbeitslosen Kriegsinvaliden und Kriegerhinterbliebenen. 
Werk. Im engsten Einvernehmen mit dem Beamten der 
Invaliden-Entschädigungs-Kommission trachtete das Ar¬ 
beitslosenkomitee, alle Arbeitslosen zu erfassen und sie 
nach Möglichkeit einzustellen. Wenn auch nicht ein voller, 
so ist doch ein großer Erfolg zu verzeichnen. Innerhalb 
der verhältnismäßig kurzen Zeit wurden insgesamt 320 
Invalide und Witwen eingestellt, davon 21V als Bauarbei- 
ter, 41 in verschiedene andere Berufe, weiter in Fabriken 
usw. Außerdem wurden auch mehr als 40 Invalide unter- 
§ebracht, die keinen Anspruch auf Einstellung nach dem 
invaliden - Beschäftigung-? - Gesetze haben, ebenso Waisen 
und Kinder von Invaliden, denen Arbeitsplätze oder Lehr- 
plätze verschafft wurden. 
Auch die Bundesbahn, die es durch lange Zeit ver- 
stand, die Einstellung hintanzuhalten, wurde nun endlich 
zur Einstellung verhalten. Den Unternehmungen, die 
nicht eingestellt hatten, wurden ansehnliche Beträge an 
Ausgleichstaxe vorgeschrieben, so daß auch damit wieder 
den Arbeitslosen geholfen werden kann. Wiederholt 
mußte das Arbeitslosenkomitee bei den bockbeinigen Unter- 
nehmern, die sich auf jeden Fall von der Einstellung 
drücken wollten, intervenieren, und im Zug« der Ver- 
Handlungen gelang es dann häufig, sie doch zur Einstel- 
lung zu veranlassen. Es würde zu weit führen, all die 
einzelnen Unternehmungen des Arbeitslosenkomitees, die 
angelvandte Taktik, die Mühseligkeiten der Verhandlun- 
gen, das Benehmen der Unternehmer, im Rahmen dieses 
Artikels zu schildern. Die Tatsache sei vermerkt, daß »rst 
dann in Oberösterreich dem Gesetze Geltung verschafft 
wurde, als der Landesverband selbst die Sache in die Hand 
nahm und die Durchführung überwachte, im Einverneh- 
men mit der Invaliden-Entschädigungs-Kommission alles 
daransetzte, um die Zahl der Arbeitslosen zu verringern. 
Allein damit erachtete das Arbeitslosenkomitee seine 
Aufgabe als nicht voll erfüllt, da ja, trotzdem eine be- 
trächtliche Zahl eingestellt wurde, noch hunderte Inva- 
lide waren, die trotz aller Bemühungen des Komitees keine 
Arbeit erlangen konnten. Es trachtete auch, Fürsorge- 
maßnahmen zu ergreifen, um den Nichteingestellten ihre 
Lage etwas zu verbessern. Es gelang, von der Landes- 
spende für Arbeitslose einen Betrag von 3500 S zu er¬ 
reichen, der an die Arbeitslosen verteilt wurde, außerdem 
wurden noch über 700 Kilogramm Mehl kostenlos zur 
Verteilung gebracht. Die Gemeinde Linz kam weitest- 
gehend entgegen und bewilligte für die Arbeitslosen im 
vorigen Jahre 700 Bund Holz, die ebenfalls unentgelt- 
lich zur Verteilung gelangten. Dem Arbeitslosenkomitee 
gelang es, Freikarten in den Linzer Kinos zu erwirken, 
so daß Hunderte, die in bitterster Not leben und kein Ver- 
gnügen haben, sich einige Stunden unterhalten können. 
Nahezu 12.000 Kinobesuche waren im abgelaufenen Jahre 
zu verzeichnen. Auch sonst wurden noch eine Reihe von 
Fürsorgemaßnahmen getroffen, um die Lage der Arbeits- 
losen zu verbessern. 
Bemerkt muß nur werden, daß die Invaliden-Für- 
sorgeiimter vielfach versagen, so daß der Einstellung in 
der Provinz nicht jenes Augenmerk zugewendet wird, das 
unbedingt notwendig wäre. Bei einigem guten Willen 
der Bezirkshauptmannschaften wird es auch dort gehen, 
wenn die Beamten, die mit anderen, mit der Kriegsopfer- 
frage nicht im Zusammenhang stehenden Referaten be- 
lastet sind, entlastet werden. Da muß eben ein Druck von 
den Ortsgruppen des Bezirkes ausgeübt werden. 
Ohne Organisation, ohne einen ständigen Kampf um 
die Rechte der Kriegsopfer wäre es vollkommen aussichts- 
los, daß Invalide oder Witwen eine Beschäftigung finden, 
ohne Organisation wäre das Invaliden-Beschäftigungs-
	        
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