Volltext: Nr. 8 1927 (Nr. 8 1927)

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Nachrichten 
Nr. 8 
sertigungswerber zu befragen, ob er den Antrag auf Ab- 
fertigung aufrecht hält. 
Um allen unseren Mitgliedern es klar zu machen, 
wollen wir ein Beispiel anführen. Der Kriegsbeschädigte 
I. H. ist mit mehr als 75 Prozent Erwerbseinbuße klas¬ 
sifiziert und bezieht die Vollrente. Er sucht um Aoferti- 
gung an. Bei der ärztlichen Begutachtung wird nun seine 
Erwerbseinbuße nicht mehr mit dem früheren Prozent- 
satz, sondern mit 55 bis 65 Prozent festgesetzt. Nun wird 
das Ansuchen um Abfertigung vorläufig zurückgestellt 
und das Rentenbemessungsverfahren eingeleitet. Dem 
Kriegsbeschädigten wird die Bollrente eingestellt und er 
bekommt einen neuen Bescheid, lautend auf 55 bis 65 
Prozent. Gegen den Bescheid kann er die Beschwerde an 
die Schiedskommission einbringen. Nach Beendigung des 
schiedskommissionellen Verfahrens ist sodann der Kriegs- 
beschädigte I, H. zu befragen, ob er den Antrag auf Ab- 
fertigung aufrecht hält. Bejahenden Falles ist der Ab- 
fertigungsakt dem Ministerium vorzulegen, im Bernei- 
nungsfalle ist das Ansuchen um Abfertigung einer Er- 
ledigung nicht zuzuführen. 
Bei diesem Anlasse sei auf eine sehr oft vorkommende 
irrtümliche Auffassung hingewiesen. Ein zwingender An- 
spruch auf Abfertigung besteht nicht, da es im Gesetze 
ausdrücklich heißt, eine Rente kann abgefertigt wer- 
den, nicht aber m u ß abgefertigt werden. 
Ebenso besteht die Meinung, daß nach Ablaus von 
zehn Iahren die abgefertigte Rente wieder auflebt. Gänz¬ 
lich falsch! Eine einmal abgefertigte Rente lebt nie wie- 
der auf; sie bleibt abgefertigt für immer I 
Auf jeden Fall raten wir allen, die die Absicht haben, 
um die Abfertigung anzusuchen, ehe sie das Ansuchen ein- 
bringen, sich vorher mit der Kanzlei des Landesverbin- 
des ins Einvernehmen zu setzen- 
Das eine 
Als im Jahre 1919 das I. E. G. von der National- 
Versammlung verabschiedet wurde, meinte der Bericht¬ 
erstatter, Nationalrat Widholz, daß es nicht so sehr auf 
den Buchstaben des Gesetzes, sondern auf den Geist an- 
komme, in welchem das Gesetz durchgeführt werde. 
Jedesmal, so oft wir eine Entscheidung des Berwal« 
tungsgerichtshofes zur Hand bekommen, erinnern wir 
uns des obigen Ausspruches. Diesen „Geist" hat Wid- 
holz wahrlich nicht gemeint. Denn was sich der Berwal- 
tungsgerichtshof leistet, ist geradezu das Gegenteil, was 
Widholz meinte, ja, noch mehr, es ist die Verzerrung des 
Buchstaben des Gesetzes in sein Gegenteil. 
Die Verwaltungsgerichtshof-Entscheidungen haben es 
soweit gebracht, daß die Anspruchsberechtigten überhaupt 
nicht mehr wissen, was ihnen gebührt oder nicht gebührt, 
trotz des klaren Textes des Gesetzes. Es ist aber schon so- 
daß selbst Juristen nicht mehr wissen, wie sie Recht 
sprechen sollen. 
Da hat zum Beispiel der Verwaltungsgerichtshof ent- 
schieden, daß die Einschätzung der Erwerbseinbuße 
ausschließlich Sache der Aerzte sei, weil es sich um eine 
Frage handle, die nur von ärztlichen Sachverständigen 
beantwortet werden könne. 
Hat nun eine Schiedskommission unter Berücksichti- 
gung verschiedener Umstände einen höheren Prozentsatz 
gegenüber einem ärztlichen Gutachten zuerkannt, so 
wurde eine solche Entscheidung mit obiger Begründung 
vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben. 
Aber der Verwaltungsgerichtshof kann auch anders! 
Einem Kriegsbeschädigten, welcher durch Jahre hin- 
durch die Hilslosenrente bezog, wurde diese eines schö- 
nen Tages eingestellt. Die dagegen eingebrachte Beru¬ 
fung hatte Erfolg, da der ärztliche Sachverständige er- 
klärte, die Hilflosigkeit sei gegeben. Der Berwaltungs- 
gerichtshof hat trotz des einwandfreien ärztlichen Gut- 
achtens diese zuerkennende Entscheidung der Schieds- 
kommission aufgehoben mit der Begründung, daß eine 
gänzliche Hilflosigkeit nicht gegeben sei. Also, obwohl die 
ärztlichen Sachverständigen in ihrem Gutachten erklär- 
ten, daß der Kriegsbeschädigte hilflos fei, haben die Nicht- 
sachverständigen des Verwaltungsgerichtshofes, die Zu- 
risten, eine andere Ansicht und sagen, der Kriegsbeschä- 
digte sei nicht hilflos. Wenn die Schiedskommission ein- 
mal eine vom ärztlichen Gutachten abweichende Meinung 
hinsichtlich der Einschätzung der Erwerbseinbuße aus- 
spricht, so erklärt der Verwaltungsgerichtshof dies als 
eine rechtswidrige Anwendung des Gesetzes. Wenn aber 
der Verwaltungsgerichtshof vom Gutachten der ärztli- 
chen Sachverständigen abgeht, nennt man das „richtige 
Anwendung des Gesetzes". 
Wenn zwei dasselbe tun, ist es noch lange nicht das- 
selbe! 
In dem angezogenen Falle mußte sich die Schieds- 
kommission neuerlich damit befassen und sie hat wieder, 
und zwar auf Grund des ärztlichen Sachverständigengut- 
achtens, die Hilflofenrente zuerkannt. Abermals beschäf¬ 
tigte sich der Verwaltungsgerichtshof mit der neuerli- 
chen Entscheidung der Schiedskommission und wieder hat 
er die zuerkennende Entscheidung aufgehoben. Diesmal 
mit der Begründung, daß die Schiedskommission an die 
Rechtsauffassung des Berwaljfungsgerichtshvses gebunj- 
den sei. 
Das ärztliche Gutachten, das vom Verwaltungsge- 
richtshofe ansonsten als zwingend für die Entscheidungen 
der Schiedskommissionen zu betrachten ist, ist aber nicht 
zwingender Natur für den Verwaltungsgerichtshof selbst. 
Da komme nun noch jemand und behaupte, daß der 
Verwaltungsgerichtshof nicht „objektiv" entscheide. 
Durch die einander widersprechenden Entscheidungen 
des Verwaltungsgerichtshofes ist es soweit gekommen, daß 
das I. E. G. tatsächlich für alle Beteiligten zur Geheim- 
Wissenschaft geworden ist. 
Es hat den Anschein, als ob man bewußt daraus eins 
Geheimwis'enschaft -nachte, um Verwirrung in die Reihen 
der Nnsprutbsbcrechtiglen zu tragen, um dieserart dem 
Moloch Fiskus dienstbar sein zu können. 
Kiuder auf's Land. 
Der Sommer und mit ihm die Zeit der Urlaube und 
der Schulferien ist angebrochen. Herrlich waren die ersten 
Tage des Sommers und alle Menschen, ob groß ob klein, 
freuten sich herzlichst über die wunderschöne Jahreszeit, 
die ihnen nunmehr einige Zeit der Erholung, einige Feit 
der körperlichen und geistigen Erfrischung bringen wird. 
Die wanderlustige Jugend zieht Sonntags im die 
grüne Natur, um sich an ihren Schönheiten zu ergötzen, 
um wieder Kräfte zu sammeln für das Einerlei des All- 
tags. Die Finanzkräftigeren ziehen in die Sommerfrische, 
in die wunderschönen Täler unserer herrlichen Alpen oder 
in die Schweiz, um dort die Schönheiten der Natur ge- 
nießen und dem dumpfen Druck der Großstadt einige Jett 
entgehen zu können. Die weniger Begüterten stecken ihre 
kleinen Ersparnisse ein, schnüren dm Ranzen und durch, 
ziehen lautenspielend unsere schöne Heimat, um zu ver» 
gessen die Beschwernisse des Alltags.
	        
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