Volltext: Nr. 8 1926 (Nr. 8 1926)

Nr. 8 
Nachrichten 
Seite 3 
um neue Begutachtung an, so gibt ihm die Invaliden- 
Entschädigungs-Kommission erst die Rente von dem der 
Begutachtung folgenden Monatsersten an, während er 
für die dazwischenliegende und vorhergehende Zeit über- 
Haupt nichts bekommt. Dieses Vorgehen, das neben vie¬ 
len anderen eine Spezialität der Invaliden-Entschädi- 
gugs-Kommission Linz ist, muß schärfstens verurteilt 
werden und gehört an den Pranger gestellt. — 
Ein Kapitel für sich — allerdings ein harmloseres — 
ist die Auffodrerung zur Einsendung der A. und L-Er- 
klärungen. Schon im April wurden alle Rentenempfän¬ 
ger aufgefordert, die Erklärungen einzusenden, ohne zu 
sagen, wo diese Formulare zu finden sind. Ziemlich viele 
wußten, daß sie dieselben von der Bezirkshauptmannschaft 
oder Gemeinde bekommen können und wendeten sich an 
diese, vielfach, besonders an die Gemeinden, umsonst. Viele 
haben die Erklärungen tatsächlich eingesendet, erhielten 
jedoch neuerdings die Aufforderung, die Erklärungen ein- 
zusenden. Sie wußten nicht, warum. Wäre es nicht besser 
gewesen, die Jnvaliden-Entschädigungs-Kommission hätte 
mit einigen Worten die Organisation verständigt? Diese 
hätte durch ihr Organ die Leute aufmerksam gemacht und 
die Invaliden-Entschädiaungs-Kommission hätte sich viel 
Aufregungen und Arbeit erspart. Ein Invalider sandte 
die Erklärungen ein, ohne zu frankieren. Prompt kamen 
sie wieder zurück von der Jnvaliden-Entschädigungs-Kom» 
Mission mit dem Vermerk: „Das Porto ist von der Partei 
einzuheben; daher zurück." Der Invalide mußte nun das 
Strafporto und das normale Porto zahlen. Ja, ja, der 
Staat kann stolz sein auf Linz. F. 
»ee Kampf »wird Mssf«- 
In allen größeren Orten unseres Landes ist rege or- 
ganisatorische Arbeit zu bemerken. Spontan, ohne jede 
Aufforderung, veranstalten die dortigen Ortsgruppen, 
auch viele kleine, Protestversammlungen, um gegen die 
unmenschliche Verschleppungstaktik der Regierung flam- 
Menden Protest zu erheben. 
Der Geist, die Kampfentschlossenheit sind scharf ob- 
geprägt vom gewöhnlichen Versammlungsniveau nnd 
verraten auf den ersten Blick, daß es sich um etwas 
Außergewöhnliches handeln muß. 
Die Landbevölkerung, die sehr zurückgezogen ist, wird 
ebenfalls plötzlich rebellisch und erhebt schwerste Vor- 
würfe gegen die Regierung. 
Kein Wunder! 
Mehr als ein Jahr ist verflossen, seitdem der Jen- 
tralverband der Regierung Forderungen auf Erhöhung 
der mehr als unzureichenden Renten gestellt hat. 
Mit dem Hinweis auf das Nichtvorhandensein der 
Mittel und auf den Sündenbock Völkerbund hat die Re- 
gierung die Forderungen abgelehnt. 
Der Zentralverband entsandte seine Vertreter nach 
Henf und erreichte dadurch zwei Notstandsunterstützungen. 
Man hat in Genf erfahren, daß nicht der Völkerbund, 
sondern die eigene Regierung selbst den Forderungen 
ablehnend gegenübersteht. Das „Völkerbundargument" 
fiel also weg, die Rgierung hätte die Möglichkeit gehabt, 
in Verhandlungen einzugehen. 
Nichts rührte sich im Blätterwalde, jede vorsprechende 
Deputation mußte erfahren, daß keine Mittel vorhanden 
seien, um den Forderungen auch nur teilweise Rechnung 
tragen zu können. 
Es wirkte daher umso empörender, als man aus dem 
Staatshaushaltplan ersehen konnte, daß trotz dieser 
furchtbaren Zeit, trotz Wirtschaftskrise ungeheure Mil- 
liarden erspart wurden. Die Industrie ist unterbunden, 
die Bautätigkeit schlummert, und trotzdem stellt die Re- 
aierung keine Mittel zur Verfügung, um produktive Ar- 
veitslosenfürsorge zu treiben. 
Die Forderungen der Kriegsopfer werden noch immer 
nicht erfüllt wegen Mangel an Geld. 
Was geschieht also mit dem Gelde? 
Man stand vor einem Rätsel. 
Jetzt hat man einigen Einblick gewonnen, was die 
Legierung mit dem Gelde unternehmen will. Die Jen- 
tralbank der deutschen Sparkassen ist in Schwierigkeiten 
geraten, aus welchem Grunds, ist bisher noch nicht auf- 
geklärt. 
Die Herren der Regierung übernahmen ohneweiters 
die volle Garantie und stellten sofort 600 Milliarden 
wähl- und planlos der Zentralbank zur Verfügung 
Da brauchte die Regierung keinen Völkerbund, da 
hatte sie keine Angst vor der Ueverschreitung des Normal» 
budgets. Die Bankgewaltigen brauchten keine Forderun- 
gen zu stellen, wie die Kriegsopfer, sie brauchten nicht 
demonstrieren, sie haben ja in der Regierung eine Reihe 
von „Kollegen" sitzen und ein Zucken mit den Augen- 
brauen genügt, um die Herren der Regierung, denen 
Verantwortung ein fremder Begriff zu sein scheint, ge- 
fügig zu machen. 
Sechshundert Milliarden hat die Regierung sofort 
flüssig gemacht, ohne das Parlament zu fragen, ohne sich 
um Sicherstellungen umzusehen, also selbst auf die Gefahr 
hin, daß dieses Volksvermögen verloren gehen kann, 
während sie die Forderungen der Kriegsopfer abweist, 
weil keine Mittel vorhanden sind und keine Möglichkeit 
besteht, den Mehraufwand auf einer andern Seite, selbst- 
verständlich aus dem gleichen Kapitel, wieder hereinzu» 
bringen. 
Diese ungeheure Summe wurde verpulvert, ohne sich 
ein Gewissen daraus zu machen und hätte reichlich die 
gesamten Forderungen der Kriegsopfer gedeckt. 
So ungeheuerlich wurden die Kriegsopfer noch von 
keiner Regierung zum besten gehalten. Mit Leichtsinn 
wirst sie ungeheure Summen den Banken in den Rachen, 
die sie nie mehr bekommen wird, hebt dafür wieder neue 
allgemeine Steuern ein und kclßt die „Helden" auf der 
Straße zugrundegehen. 
Die Arbeitslosigkeit nimmt größeren Umfang an, 
unter der besonders die Invaliden zu leiden haben, dafür 
soll das Arbeitslosenversicherungsgesetz verschlechtert wer- 
den, die Steuern werden invner höher, die Teuerung 
schreitet fort, die Renten, die eine Schande für einen 
Kulturstaat bedeuten, bleiben gleich und unverändert. 
Ist der Regierung nur das Bankwesen an das Herz 
gewachsen und will sie breite Massen der Bevölkerung 
dem Hungertode preisgeben, dann soll sie gehen und 
einer wirklichen Volksregierun? Platz machen. 
Die Korruption stinkt schon' zum Himmel und fordert 
dringend Abhilfe. 
Die Kriegsopfer werden aber gut tun, sich fester zu- 
symmenzuschließen und die Klubs von Organisatiönchen, 
vie sich Führer aus dieser Korruptionsregierung von der 
Regierung bestellen ließen, zum Teufel zu hauen. 
Sie werden nicht ruhen und rasten, gleich welch po- 
litifcher Ueberzeugung sie sind, bis die Gewaltigen sehen, 
daß es neben Bankgrößen auch noch andere Menschen in 
Oesterreich gibt und immer gewaltiger hinausrusem 
Heraus mit der S. Novelle. F.
	        
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