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Nachrichten
Nr. 4
Schwer ist das Amt eines Redakteurs einer unpoli-
tischen, besser gesagt, einer politisch neutralen Zeitung,
weil der Leserkreis ein sehr verschiedener ist. Um so
schwerer, da ihm keine oder wenige Mitarbeiter zur
Seite stehen.
Nicht verborgene Kritik, nicht Interesselosigkeit kön°
nen bestehenden Mängeln abhelfen, sondern offene Kritik
und werktätige Mitarbeit am Ausbau unserer Zeitung,
Genug Kräfte befinden fick unter unseren MitgliH»
dern, die mitarbeiten könnten, Die Zeitung inhaltlich noch
mehr auszugestalten.
Hoffentlich tragen diele Zeilen bei, das Interesse an
der Zeitung zu wecken und Mitarbeiter zu finden. H. .
Der KriegSgesGädigtenfond«.
Als die Umwälzung des Jahres 1918 den Völkern das
Ende des Weltkrieges, den Zusammenbruch der Staaten
und hiemit die Freiheit und den angeblichen Völkersrie-
den brachte, waren aus den verschiedenen Volkskreisen
Anträge zur Enteignung der ehemaligen kaiserlichen Gii°
ter laut geworden. Auch für 6ie Kriegsopfer wurde diese
Frage akut und es reifte ein energisches Verlangen nach
Enteignung solcher Güter. Die Form war verschieden,
entweder nahmen einzelne Gruppen von Kriegsbeschädig-
ten ohne weiters Besitz von Schlössern und Gütern oder
sie drängten die Regierung zu entsprechenden Maßnah-
men.
Nach längerem Zögern entschloß sich die Regierung,
dem Nationalrat ein Gesetz vorzulegen, nach dem die Gü»
ter, welche einen Ertrag abwerfen^ zusammengelegt und
den Zwecken der Kriegsfllrsorge gewidmet werden sollten.
Das erste diesbezügliche Gesetz faßte die Nationalver-
fammlung am 18. Dezember 1919. Ausgenommen von
der Enteignung erscheinen gemäß 8 2 bewegliche und un*
bewegliche Güter, wenn sie öffentlichen Verwaltungs-
zwecken dienen oder aus Gründen der staatlichen Kunst-
pflege. Die Verwaltung dieses Fonds fiel einem Kurato-
rium zu, das aus dem Präsidenten und Vizepräsidenten,
aus Nationalräten, Ländervertretern und Regierungs-
Vertretern bestand. Invalidenvertreter waren keine vor-
gesehen. Es war nur dem Wohlwollen des seinerzeitigen
Staatssekretär Hanufchzu verdanken, daß Kam. Konrad
Schnürmacher in diesem Kuratorium Sitz und Stimme
hatte. Der nachfolqende Minister Dr. Resch hatte dann
noch ein zweites Mandat freigegeben das der Kamerad
B r a n d e i ß erhielt. Durch dieses Gesetz wurde den
Forderungen der Invalidenschast zum Großteil Rechnung
getragen.
Die den Kriegsgeschädigtenfonds angegliederten Er-
tragsgüter sind folgende:
Das Waldgut Mattiahofen in Oberösterreich;
das Waldgut in Pöggstall in Niederösterreich;
der Tiergarten in Lainz bei Wien;
das Gut Ortb-Mannersdorf; I V ..
die halbe Insel Lobau;
der Schloßbesitz und Maierhof Eckartsau;
das ffitit Krampen mit den Iagdfchlössern Mürzsteg
und Neuberg;
das Schloß Laxenburg;
das Gut Vösendorf;
eine Reihe kleinerer Gutsbesitze bei Kaiser-Ebersdorf;
der Feldgarten in Schönbrunn und das Restaurant
in Schönnbrunn;
17 Häuser in Wien und Baden;
der alte Hofkeller.
Es war selbstverständlich, daß nach den ersten Wirren
wieder an geordnete Verhältnisse innerhalb der Fonds-
güter selbst gedacht werden mußte. Es mußten auch die
von einzelnen Invalidengruvpen besetzten Schlösser wie-
der dem allgemeinen Zwecke zugeführt werden, damit
nicht etwa Begünstigungen nur einem Teil der Kriegs-
opfer zufallen und der andere dadurch leer ausgehen
sollte. Nichtsdestoweniger blieben doch das Schloß Hetzen-
dorf, das als Heim für Schwerbeschädigte eingerichtet
worden war und ein Teil des Lainzer Tiergartens, der
zwecks Besiedlung im Jahre 1919 von Invaliden besetzt
worden war, und heute im Erbbaurecht an diese weite«
verpachtet wurde, ihrem Zwecke gewidmet. Heute haben
letztere auf Grund des Baurechtskuratoriums vom
30. Jänner 1922 einen Besitz von zirka 45 Hektar mit'
90 eigenen Häusern bebaut, wobei ein großes Kantinen»
gebäude und mehrere Wirtschaftsgebäude, zur weiteren'
Bautätigkeit best eingerichtet, den Genossenschaftern zur
Verfügung stehen.
In den ersten Iahren des Bestehens konnte also de*
Kriegsgefchädigtenfonds sich nur der Konsolidierung wid,
men und durch Abstoßen von zahlreichen Rückständen untf
Durchführung der notwendig gewordenen Meliorationen
keine besonderen Erfolge erzielen. Auch war die Zufam-
mensetzung des Kuratoriums, in dem die Invalidenschaff
nur gering vertreten war, nicht geeignet, in die Verwal¬
tung einzugreifen und bessere Ergebnisse zu erzielen. So
kam es nach längerem Verhandeln zu einem mehr dein
Zwecke entsprechendem Gesetze, dem Bundesgesetz vom
4. Juli 1922, B.-G.-Bl. Rr. 416, über den Kriegsgeschä»
digtenfonds. Hier interessieren uns nur einige Pars«
graphe; so der § 7, der nunmehr außer dem Präsidenten«
den Vizepräsidenten, noch 36 Mitglieder im Kuratoriuni
vorsieht, und zwar:
a) drei Nationalräte und je einen von jedem Land-
tage zu wählenden Kuratoriumsmitglied:
l>) je einem Vertreter der Bundesministerien für In»
neres und Unterricht, für Justiz, für Handel» und Ge«
werbe, Industrie und Bauten, für Land- und Forstwirk»
fchast und für Heerwesen; ferner aus je zwei vom Bun»
deskanzler, vom Bundesminister für Finanzen und für
soziale Verwaltung aus der Mitte des Beamtenkörpers
bestellten Vertretern, endlich einem vom Präsidenten des
Rechnungshofes in gleicher Weife bestellten Vertretern^
o) acht Vertreter der organisierten Invalidenschafti
und vier Vertreterinnen der organisierten Kriegerwitwen«
Die Entsendung erfolgte durch die in Betracht kommendes
Vereinigungen nach Maßgabe der Zahl der Vereinsange»
hörigen und wird im Verordnungswege geregelt.
Der § 13 sichert im Falle des Verkaufes unbeweg«
licher Güter dem Bunde das Vorkaufsrecht (§§ 1072 ff«
a. b. G. B.)
Nach diesem Gesetze war nun die Vertretung des
Bundes, der Länder und der Invalidenschaft zu gleichen
Teilen, also zu je zwölf Vertretern, gesichert. Der Jen«
tralverband der Kriegsgefchädigten und Kriegshinter«
bliebenen entsendet daher zehn Mitglieder, und zwar der«
zeit die Kameraden (Kameradinnen):
Johann Schnürmacher, Obmann des Zentralverban«
des Wien; .-*>
Max Brandeisz, Präsident des Landesverbandes
Wien;
Anton Iorgo, Obmann des Landesverbandes Nieder«
österreich;
Engelbert Nückel, Vizebürgermeister und Obmann des
Landesverbandes Steiermark;
Fritz Müller-Milborn, Vorstandsmitglied des Landes«
Verbandes Oberöstereich;
Anna Stumer,
Lina Brosch,