Volltext: Der geheime O. B. [301]

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Paris 18. 
17. Juni. 
Doktor Wester kommt jetzt nur jeden zweiten Tag. 
Als ich ihn heute fragte, was ich ihm für seine aufopfernde Be— 
handlung schulde — es geschah in dem Augenblick, als ich ihm 
eine sehr wertvolle Tabatière überreichte —, lehnte er fast brüsk 
jede Bezahlung ab und äußerte, sich mein Freund nennen zu 
dürfen, sei ihm die wertvollste Anerkennung seiner kleinen Ver— 
dienste um mich. Da konnte ich leider nicht umhin und mußte 
ihm, obwohl ich der Jüngere bin, das Du⸗Wort antragen:... 
Paris 18 8. 
19. Juni. 
Meine Tage sind von einer Eintönigkeit, die grauenvoll 
wirkt. Ich habe von Bill alle Besuche abweisen lassen. Ich 
empfing erst auf Wunsch Westers niemand. Er meint, es 
könnte mich zu sehr erregen, mit andern Menschen, die nur 
Klatsch von draußen bringen, über die letzten Exeignisse zu 
sprechen. Und schließlich wollte ich ja selbst gar nicht. Heute 
sagte ich aber zu Wester, ich werde dieses freiwillige Exil wohl 
nicht mehr lange ertragen, ich bin nun einmal ein Gesellschafts— 
mensch und möchte gerade das Traurige der letzten Zeit gern 
durch Zerstreuung hintanhalten. Ich weiß nicht mehr wieso, 
kam das Gespräch auf das Testament, und Wester teilte mir 
mit, daß er nun den Säulendiwan zu mir schaffen lassen werde. 
Ich sei wohl schon so weit, den Anblick ertragen zu können. Und 
er habe es D'Yf heilig versprochen, sich dieses Auftrages per⸗ 
sönlich zu entledigen. Ich sehe mit einem unsagbar schmers— 
lichen Gefühl, sogar mit einem gelinden Grauen diesem 
Geschenk der Toten entgegen. Dann entnahm Wester einer 
großen schwarzen Mappe, die er häufig bei sich trägt, eine 
große, prachtvolle Photographie D'Yfs, die er in ihrem Schreib⸗ 
tisch gefunden hatte und mit welcher er mir eine Freude zu 
machen hoffte. 
Ich dankte ihm herzlich, und nun steht sie vor mir auf 
dem Schreibtisch. . .. Süß und unsagbar anziehend sieht D'Yf 
auf diesem ihrem letzten Bildnis aus. Die Firma des Photo— 
graphen ist darauf nicht ersichtlich. Ich hätte sonst um mehr 
Bilder an ihn geschrieben. Es ist kaum denkbar, daß er von 
dieser schönen Frau bloß eine Pose photographierte. 
Paris 18 21. Juni. 
Ich hatte heute ein sehr interessantes Gespräch mit 
Wester. Wir kamen auf Westers Spezialgebiet, den Okkultismus, 
zu sprechen. Wester ließ aber sehr in sich dringen, ehe er Farbe
	        
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