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gestalten. Morgen ist der große Familientag, und am 16. hoffe
ich wieder in Paris zu sein. Dann gehe ich aber sofort zu
Deyf. Kein Bedenken soll mich mehr abhalten. Ich muß so
oder so eine Klärung schaffen. Mein ältester Vetter behandelte
mich heute, als sei ich noch ein komplettes Kind, und behauptet,
es stecke hinter meinem zerfahrenen Wesen eine Frau, welche
aber gewiß nicht Geneviève heiße; woher er diese Kom—
binationen hat Da er immer in Mars-la⸗Tour. lebt, kann
doch kein Tratsch zu ihm gelangt sein. Ville-Neuve ist jetzt in
Baumblüte und sehr schön. Es tut mir fast leid, von hier
wegzugehen. Es sieht aus wie ein großer, großer Blumen—
garten. der überdacht ist von Blütenbäumen, Sonne und
Freundlichkeit. Hinzu kommt noch, daß. ich mich hier bedeutend
freier fühle, seelisch In Paris kann ich ein unbeschreibliches
Gefühl des Geknebeltseins in meinen Handlungen nicht los⸗
werden, seit Monaten. Ich bin wahrs cheinlich so hypernervös,
daß die Stadtluft wie ein Alp auf mir liegt.
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Paris, 18—
19. Mai.
Ich glaube, es sind für lange die letzten Zeilen, welche ich
hier in dies Buch eintrage; es ist etwas so unerwartet Schreck—
liches geschehen, daß ich kaum die Feder halten kann, so beben
meine Finger. Geordnet werde ich meine —VV
miedergeben können. Mir ist einmal eisig kalt wie in einem
Grabgewölbe, dann steigen mir wieder Hitzwellen auf wie im
schattenlosen Wüstensand.
Ich will versuchen, Ordnung in das Chaos meiner Gefühle
zu bringen. .. Als ich, von großer Sehnsucht getrieben, D'Nf
kurz entfschlossen aufsuchte, fand ich Türen und Tore ihres Palais
offen. Ich ging befremdet die breite Mittelstiege hinauf, ging den
mir so wohlbekannten Weg, ohne von einem der Diener auf—
gehalten zu werden, nach D'VYfs Boudoir. Auch hier die Türen in
Angeln offen und das ganze kleine Pérsonal und Doktor Wester
da innen versammelt. Die Herren und Damen der kleinen Suite
hatte D'M, wie ich von Wester erfuhr, schon vor Tagen ver⸗
abschiedet im dem Wunsche, ganz allein zu bleiben. Als ich ein⸗
rat' saß Doklor Wester an D'Ms Schreibtisch und stellte einen
Schein aus. Die Dienerschaft war in Tränen. Ich stand einige
RMiünuten wohl wie gelähint, die Leute gleich mir wie erstarrt
und lautlos. Nur das Rascheln der Feder Doktor Westers, er
hbediente sich immer nur seiner eigenen Füllfeder, welche ganz
merkwürdig breit und mit einer fast hellen, ganz rosa Tinte
gefüllt war, zischelte durch den Raum.
Der geheime O. B.