Volltext: Th. 1 [=A. Geschichte von Schärding], H. 2 (Th. 1, Heft 2, 1886)

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Im Monate September 1854 wurde, wie von Wien nach Linz, so auch 
von Linz über Schärding und über die Jnnbrücke hinaus eine Telegraphenleitung 
proclamirte und von Napoleon III. als Hilfsmittel zur Erreichung seiner politischen Zwecke 
benützte „Nationalitätsprinzip" geltend gemacht, nach welchem jede Nation das Recht und die Aus¬ 
gabe habe, sich ohne jede Rücksicht aus- historisch zu Recht bestehende Verhältnisse, und unter 
Anwendung jedes zweckdienlichen Mittels zu einer selbstständigen, von andern Nationen uuab- 
häugigeu, in sich geeinigten Staat zu constituireu. 
Oesterreich beantwortete die sranzösisch-sardinische Provocation durch sofortige Ent 
sendung von 30.000 Mann in seine italienische Provinzen zur Verstärkung seiner dortigen Truppen, 
so wie durch Anwendung aller für die Eventualität eines Krieges nöthigen Maßregeln, worauf 
Sardinien seinerseits seine schon längst in Kriegsbereitschaft gesetzten Truppen gegen die Lom¬ 
bardei vorschob. 
In Berücksichtigung seiner gänzlichen Jsoliruug und Angesichts der ihm wohlbekannten 
feindseligen Gesinnungen Rußlands, sowie der zwischen Frankreich und Preußen bestehenden 
freundschaftlichen Beziehungen, hielt es jedoch Oesterreich geboten, nochmals einen Versuch zur 
Aufrechthaltung des Friedens zu machen. Da aber alle Aussicht auf solchen verschwand, und der 
Krieg unvermeidlich blieb, überschritt das österreichische Heer, über welches Graf v. Giulay als 
Oberfeldherr bestellt war, am 29. April 1859 den Gränzsluß Tessin. Doch die Taktlosigkeit und 
die Misgriffe des seiner Aufgabe durchwegs nicht gewachsenen Feldherrn zwangen das öster¬ 
reichische Heer zum Rückzüge in die Lombardei, und uach den Gefechten bei Mmttebello und 
Palestro, und uach der Schlacht bei Magenta am 4. Juni, die ungeachtet der ruhmwürdigsten 
Tapferkeit der vom Geiste Radetzky's durchdrungenen Milizen verloren ging, bis an den Mincio 
zurück, wo selbes Stellung nahm; am 24. Juni wurden die Oesterreicher bei Solserino abermals 
geschlagen, wobei sie 22.000 Mann an Todten, Verwundeten und Gefangenen einbüßten, aber 
auch die Feinde 20.000 Mann verloren. Während die französisch-sardinischen Waffen in Ober¬ 
italien ihre Triumphe feierten, hatte die Revolution in Mittelitalien ihr Banner entfaltet, und 
den Großherzog von Toskana zur Abdankung genöthiget. — An der dalmatinischen Küste waren 
französische Kriegsschiffe erschienen, um die Pläne Cossuth's und Klapka's zu einer Revolutionirung 
Ungarns zu unterstützen. Unter solchen Verhältnissen mußte dem Kaiser Franz Joseph die Fort¬ 
setzung des Krieges allzubedenklich, und eine möglichst rasche Verständigung mit Frankreich 
wünschenswerth erscheinen, zu welcher Napoleon selbst die Hand bot. Am 11. Juli wurde zu 
Villa-Franca der Friede abgeschlossen, dessen Hauptpunkt die Abtretung der Lombardei mit 
Ausschluß der Festungen Mantua und Peschiera an Napoleon zur Ueberweisung an Sardinien, 
mit einigen noch anderen Vereinbarungen betreffs der vertriebenen Fürsten von Toskana und 
Modena bildete. Mit diesen Friedensvereinbarungen war jedoch die italienische Revolutions¬ 
partei sehr unzufrieden; denn Oesterreich war im Besitze von Venetien geblieben, und demselben 
überdieß noch die Restauration der vertriebenen Fürsten zugestanden worden. Beides sollte ver¬ 
eitelt werden; durch die fortwährenden Machinationen Napoleons wurde das vom König 
Victor Emmanuel angestrebte Werk der Annexion von ganz Italien, wie wohl später, vollbracht. 
Der Annexionspolitik des Ministers Cavour mit der Herstellung eines Königreiches 
Italien unter sardinischen Scepter war noch nicht Genüge geschehen; das Losungswort blieb: 
„Rom muß die Hauptstadt Italiens werden!" Alle Hebel wurden in Bewegung gesetzt, dieses 
Ziel zu erreichen, und einen Volkskrieg zur Eroberung Neapels, Venetiens und des Patrimonium 
Petri zu organisireu. Neapel fiel im Jahre 1861; im Jahre 1866 gelangte Victor Emmanuel 
durch die Betheiligung au dem deutschen Kriege in den schon erstrebten Besitz von Venetien, und 
endlich am 20. September 1870 in den der Stadt Rom, der Metropole der katholischen Christen¬ 
heit, nachdem früher schon die Legationen des Kirchenstaates Stück für Stück dem Papste ent¬ 
rissen, und dem Königreiche Italien einverleibt worden waren.
	        
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