Volltext: Polizei-Humoresken [35/36]

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als dieser es versuchte, ihm begreiflich zu machen, daß der im 
Dienste stehende Beamte im Falle der Notwendigkeit auch bei 
Nacht zu amtieren habe und nicht zu schlafen. Bei Nacht war er 
ganz einfach nicht zu sprechen, sondern ließ sich durch den 
Polizeiagenten vertreten, und das mußte wirklich schon ein 
ganz außergewöhnliches Ereignis gewesen sein, wenn der Agent 
es gepaat hätte, den Beamten in seiner geheiligten Nachtruhe 
zu stören. 
Das Arrestlokal dieses Kommissariats war wieder einmal 
so voll, daß ein während der Nacht hieher eingebrachter Taschen— 
dieb den Entschluß faßte, bei dem nächsten Verbrecherkongreß 
den Antrag zu stellen, es solle, ähnlich wie bei den Straßen— 
bahnwagen, auch bei Arrestlokalen ein Ueberfüllungsverbot 
eingeführt werden. Und dabei war dieser Taschendieb noch 
nicht der Letzteingebrachte dieser Nacht. Sicherheitswache und 
Polizeiagenten entfalteten eine unheimliche Taͤtigkeit in den 
Straßen, so daß immerfort neue unfreiwillige Gäste in das 
„Hotel Arrest“ kamen und dieses wirklich schon einem Massen— 
quartier glich. Oben schlief „Dr. Ruhefreund“ den Schlaf des 
Gerechten, während der Polizeiagent für ihn den Dienst versah 
und jeden Neueingebrachten nach kurzer Feststellung seiner 
Personaldaten in den Arrest abführen ließ, ohne zu bedenken, 
daß ein Arrestlokal kein Heringfaß und Arrestanten keine ein— 
gesalzenen Fische seien, die man hier hineinstopfen konnte. 
Der Zuletztgekommene war ein Betrunkener, der sich 
eigentlich nichts hatte zuschulden kommen lassen, als eine 
Störung der für „Dr. Ruhefreund“ so geheiligten Nachtruhe. 
„Zur Ernüchterung in den Arrest!“ hatte der durch keine 
Gesetzeskenntnis getrübte Urteilsspruch des Agenten Woynar 
gelautet, gegen welche Verfügung es keine Berufung gab, da 
sie sofort in Kraft zu treten hatte. Im Arrest sang er sich noch 
halblaut ein Liedchen, und in der Rauschmeinung, daß er zu 
Hause wäre, zwängte er sich rücksichtslos auf die Holzpritsche 
nieder, zwischen zwei andre Häftlinge hinein, denen er auf ihr 
Geschimpfe erwiderte: „Keppelst scho wieder, Alte? Sei froh, 
daß i überhaupt hamkommen bin, und jetzt sei stad, sonst 
fangst d' noch eine!“ Tiefe Schnarchtöne verkündeten alsbald, 
daß er nichts mehr wußte von dein Jammertal der Erde, daß 
er auf der Holzpritsche sich so wohl fühlte wie zu Hause in 
seinem Bette. 
Nach gut durchschlafener Nacht hatte sich dann „Dr. Ruhe— 
freund“ das Arrestantenprotokoll vorlegen lassen. „Heute war 
wirklich viel zu tun!“ sagte er zu dem Polizeiagenten Woynar 
mit, einem gewissen Tone des Bedauerns. „Dafür können 
Sie aber jetzt ruhig fortgehen! Die Sachen werde ich mir 
schon allein erledigen!“ Natürlich, jetzt war doch Tag, jetzt war
	        
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