Volltext: Polizei-Humoresken [35/36]

Mene Tekel Upharsin. 
Wenn auch der Amtsdiener Wotroubek oder Pane 
Wotroubek, wie man ihn allgemein nannte, seinerzeit ein 
Bekenntnis als Bürger des deutschösterreichischen Staates 
abgelegt hat, so glaubte man ihm dies weder auf das erste 
noch auch auf das letzte Wort. Viel eher war man da geneigt, 
ihn in die Gegend als zuständig zu betrachten, die zwischen 
Wodnian und Protivin gelegen ist, also entschieden kein 
gemischtsppachiges, sondern unbestritten tschechisches Geblet. 
Pane Wotroubek wollte aber Deutschösterreicher werden, um 
seinen Dienst bei der Wiener Polizei weiter versehen zu können. 
Daß er es hier nicht zu einem der berühmtesten Kriminal— 
detektive oder gar zum Beamten gebracht hatte, daran waren 
eben die Verhaͤltnisse schuld, die es bisher noch nicht ermög⸗ 
licht hatten, daß er sein Können zeigte, welches so verborgen 
war, daß er es selbst im Bedarfsfalle nicht finden konnte. Aber er 
wartete auf seinen Augenblick und war überzeugt, daß dieser 
noch kommen werde Bis dahin mußte es aber seinem Ehr⸗ 
geiz genügen, Vorzimmerdienst zu machen als anmeldender 
Amtsdiener, der die Parteien empfing und den Verkehr zwischen 
ihnen und den Beamten regelte. Auch in dieser Eigenschaft, 
die gerade kein besonderes polizeiliches Genie oder 
kriminalistisches Talent erforderte, hatte er schon einige Male 
Unheil angestiftet, indem er den mit Arbeiten überhäuften 
Kommissär entlasten wollte und an Stelle des Beamten, so 
gewissermaßen als Kommissärersatz, an nachfragenden Parteien 
Rechtsbelehrungen erteilte, deren Merkwürdigkeit darin bestand, 
daß sie das gerade Gegenteil gültiger Gesetze oder bestehender 
Vorschriften besagten. Am ärgsten aber war es, wenn Pane 
Wotroubek im Vollbewußtsein seines verborgen blühenden 
kriminalistischen Könnens dem einen oder dem andern Beamten 
eine Anzeige ganz einfach unterschlug, um auf eigene Faust 
Erhebungen durchführen zu können, die vor Jahren schon 
einmal zu internationalen Verwicklungen geführt hätten, weil 
Sherlock Holmes im bescheidenen Amtsdienerrocke auf Grund 
seiner Erhebungen zu der Erkenntnis gelangt war, daß ein 
mit einer Zechschuld aus einem Vorstadthotel durchgegangener 
Gast keinandrer gewesen ist, als der damalige russische Bot⸗ 
schafter. Dieser nach den Normen der Exterritorialität nicht
	        
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