Volltext: Das Geheimnis der Lebensfreude [404/406]

83 
Und’ nun noch einen Blick auf das Allgemeine, 
Auch wenn wir unsre heutige Zeit ins Auge. fassen und 
an den Fortschritt der Menschheit denken, müssen wir 
ıns sagen: Ein Mensch kann sich nichts nehmen, €s 
werde ihm denn gegeben. Wenn uns wie heute etwas 
vom Ziele der Menschheit aufdämmert, dann ist es 
3o natürlich, daß man meint, es müßte gleich zu er- 
reichen sein, es müßte sich erzwingen lassen. Je mehr 
ans die Wahrheit von der Menschwerdung als Lösung 
des Geheimnisses unsers Daseins aufleuchtet und er- 
*illt, umso leidenschaftlicher möchte man ihre Ver- 
wirklichung unter allen Umständen in absehbarer‘ Zeit 
Jurchsetzen. Aber das geht nicht. Auch hier müssen 
wir von dem Gegebenen: ausgehen und seine Keime 
reifen lassen. . Wir können nicht über unsre Kraft und 
über die Grenzen des gegenwärtig Möglichen. KErreich- 
bar ist nur, was dem Vorhandenen am nächsten liegt. 
lan kann keine Zwischenglieder überspringen und 
nagisch hervorzaubern, was sich naturgemäß aus den 
Voraussetzungen ergeben muß; oder gewalttätig und 
willkürlich beschleunigen, was ganz ursprünglich von 
selbst werden muß. Wir müssen auch hier mit dem 
Üegebenen rechnen und die Kunst des Möglichen lernen. 
Damit. sind wir von allem Wirkensfieber geheilt. 
Denn jede‘ Treiberei und jede voreilige Vorwegnahme 
ist vom Übel. Sie verdirbt das Gegebene. Denn sie 
zerstört die Entwicklungskeime,. die vorhanden sind. 
[ch sage nichts gegen die Sehnsucht und das leiden- 
schaftliche. Verlangen. Denn es’ ist das. fruchtbare 
Klima für alles, was werden will. Aber es muß sich 
ausschließlich auf das richten, was werden kann. Nur 
wenn es ganz dem Nächstmöglichen zugute. kommt, 
fördert es das Weiterhinmögliche. Schweift es aber 
ungeduldig darüber hinaus, so verkennt und vernach- 
lässigt es. nicht nur die Triebe des Gegebenen, sondern 
oreitet eine Unruhe und Mißvergnügtheit aus, die wie 
ein Reif auf alles fällt, was knospet. ‚Die anhaltende 
Erwartung heißt im Neuen Testament Geduld. Und diese 
Geduld. tut uns not, nicht nur als die ruhige und feste 
‘ö
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.