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Die Goldgelben Blumen kommen in vielblumigen aͤstigen Doldentrauben vom Junius bis
September an den Spitzen der Zweige zum Vorschein. Dieselbe sind vollkommen aus vielen sehr
kleinen roͤhrigten Blumen zusammen gesetzet, welche oben eine runde Scheiben vorstellen, und in
der Mitte der Zwitterblumen, am Rande aber die weiblichen in einen einzigen schuppigen, trock—
nen, gefaͤrbten Kelch eingeschlossen sind. Die Zwitterbluͤmchen sind roͤhrig, trichterfoͤrmig am
Rande in 5 Theile zerschnitten, und ruͤckwaͤrts gebogen; sie haben 5 kurze haarige Staubfaͤden,
so sich mit walzenfoͤrmigen gelben Koͤlbchen endigen, und in einem Cylinder verbunden sind; in
der Mitte befindet sich ein zarter Griffel, der so lang als die Staubfaͤben, und mit einer zwey—
spaltigen Narbe gekroͤnet ist. Die weiblichen Blumen haben keine Staubfaͤden, sondern nur einen
zarten, zweyspaltigen Griffel mit einer ruͤckwaͤrts gebogenen Narbe. Ihre Blumenkelche sind an—
faͤnglich silberfaͤrbig, und sehr niedlich, nachgehends aber uͤberkommen sie eine schwefelgelbe Farbe.
Wenn man die Blumen abnimmt, ehe sie sich noch nicht viel geoͤffnet haben, so behalten die Haͤup—
ter ihre Schoͤnheit viele Jahre, besonders wenn sie vor der Luft, und dem Staub bewahrt wer—
den. Einige derselben behalten auch einen Theil deß Winters hindurch ihre Schoͤnheit.
Die nackenden Saamenkoͤrner sind sehr klein, laͤnglichtrund, und haben eine Haarkrone,
werden im September bis November reif, und bekommen eine hellgrau⸗-braune Farbhe.
Der Wachsthum ist ungefaͤhr bis z Schuhe hoch, und hat zu solchen eben so viele Jahre noͤthig.
Er kann aus den Saamen welcher bey uns reif wird, oder aus den abgeschnittenen Zweigen
gezogen werden, die man im Junius oder Julius in ein Bett von leichter Erde eingraben, und
mit Glaͤsern bedecken, oder mit Matten im Schatten erhalten kann, wobey zu beobachten, daß
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Zweige werden ungefaͤhr nach 6 Wochen Wurzeln treiben; alsdann muß man sie ausheben, und
in Toͤpfe setzen, die mit leichter Erde angefuͤllet sind; hierauf muß man sie in eine schattige Lage
bringen, bis sie auf das Neue eingewurzelt haben, nachher kann man sie in eine freye Lage unter
andere dauerhafte Pflanzen bis in der Mitte des Oktobers stellen, und alsdann unter einen gemei—
nen Glastrog bringen, wo sie vor dem Forst verwahret sind; beh gelinden Wetter aber kann man
sie in die freye Luft stellen. Diese Art ist die einzige unter allen strauchartigen Ruhrkraͤutern, wel⸗
che an einem beschuͤtzten Orte im freyen ohne Schaden ausdauert, wenn sie nur eine kleine Bede—
ung han.
Man verwendet dieses schoͤne staudenartige Gewaͤchse in Gaͤrten, und laͤßt sich eine Mahlerey
mit den Farben und Schattirungen der daran stehenden nachbarlichen Blumen machen, die nur ein
Wink des verstaͤndigen Gartenkuͤnstlers ist. Er merke vornehmlich auf die Gewaͤchse welche gleich—
zeitig mit ihm hervorkommen, und wenn er fruͤhere oder spaͤtere mit ihm verbindet, so uͤberlege er
bevor, welche Wirkung der Unterschied der naͤchst daran stehenden Staudenstaͤmme, der erst em⸗
porkeimenden oder ausschlagenden Blaͤtter, Knospen und Bluͤthen, und mit jenen die alsdann in
vollen Flor stehen, hervorbringen wͤrde.
Zur Arzney wird es unter die Kraͤuter, welche viel Oel und Salz bey sich fuͤhren, gerechnet;
wegen des akalischen mit vielen irdischen Theilen vermischten Wesens hat es die Kraft anzuziehen,
und zu trocknen; folglich wird es in Blutspeyen, rother Ruhr, zu starken Fluß der monathlichen
Zeit, und in Halsgeschwaͤren vor dienlich gehalten. Das davon destillirte Wasser kuriret den
Krebs an den Bruͤsten, man haͤngt es auch den Kindern gegen die Wuͤrmer um den Hals. Die
Blumen besitzen vermoͤg ihrer fluͤchtigen Bestandtheile eine zertheilende, verduͤnnernde, schweiß—
und windtreibende Kraft. Es wird aber zu unsern Zeiten gar selten mehr verordnet, und ge⸗
braucht.
Anmerkung zu den Buchstaben.
a. Der Zweig mit Bluͤthen, und vollkommenen Blaͤttern.
b. Eine vergroͤßerte Zwitterblume, und