Volltext: Das Weltkriegsende

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Die rein militärische oberste Kriegsleitung 
freudiger Genugtuung erfüllt hatte, im Sommer 1918 mehr und 
mehr ein rein rezeptives Miterleben geworden. Der Kaiser selbst 
war damals noch ziemlich zuversichtlich. Mit dem Reichskanzler hatte 
er sich dahin ausgesprochen, daß der König von Spanien um Ver¬ 
mittlung des Friedens unter Mitteilung der deutschen Bedingungen 
angegangen werden sollte, sobald sich die militärische Lage einiger¬ 
maßen gebessert habe. In diesem Sinne sprach sich Graf Hertling am 
6. August zu seinem Sohne aus. Er meinte, Ludendorff sei durch 
die Rückschläge an der Front nicht gebeugt und habe etwa ge¬ 
äußert: „Fünfmal habe ich während des ganzen Weltkrieges bisher 
die Truppen zurücknehmen müssen, um am Ende den Feind doch zu 
schlagen. Warum sollte mir das nicht auch ein sechstes Mal gelin¬ 
gen?" (Karl Graf Hertling, Ein Jahr in der Reichskanzlei, S. 146.) 
Der schwarze Tag. 
Alle Hoffnungen der O.H.L. auf eine Wiederaufnahme der 
Offensive und ein erneutes Vordringen auf Amiens wurden durch 
die Ereignisse des 8. August zuschanden gemacht. Bei dichtem Nebel 
durchbrachen Engländer, hauptsächlich mit australischen und kanadi¬ 
schen Divisionen, und Franzosen mit starken Tankgeschwadern über¬ 
raschend beiderseits der Römerstraße Amiens—St. Quentin die Stel¬ 
lungen der deutschen 2. Armee zwischen Albert und Moreuil. Die 
Lage gestaltete sich sehr ernst, und wenn der Feind scharf zugriff, 
wurden die deutschen Stellungen westlich der Somme unhaltbar. 
Bei der 2. Armee erfolgte ein tiefer Einbruch, und auch die 18. Armee 
mußte trotz kräftigen Widerstandes ihren rechten Flügel zurückbie¬ 
gen. Der feindliche Geländegewinn betrug 12 km. Am 9. August 
traten neue Gegner in den Kampf, der nunmehr die ganze Front 
von Albert nördlich der Somme bis zur Oise umfaßte. Erst am 
12. August gelang es den deutschen Streitkräften, den Stoß end¬ 
gültig aufzufangen und eine neue haltbare Front herzustellen. 
Der Krieg mußte, militärisch gesehen, nunmehr als verloren 
gelten. „Der 8. August", schreibt Ludendorff in seinen Kriegser¬ 
innerungen (S. 551), „stellte den Niedergang unserer Kampfkraft 
fest und nahm mir bei solcher Ersatzlage die Hoffnung, eine strate¬ 
gische Aushilfe zu finden, welche die Lage wieder zu unseren Gun¬ 
sten festigte. Ich gewann im Gegenteil die Überzeugung, daß die 
Maßnahmen der O.H.L., die ich bisher, soweit dies im Kriege mög¬ 
lich ist, auf sicherer Grundlage aufbauen konnte, dieser jetzt entbehr¬ 
ten. Das Kriegführen nahm damit, wie ich mich damals ausdrückte, 
den Charakter eines unverantwortlichen Hazardspieles cm. das ich 
immer für verderblich gehalten habe. Das Schicksal des deutschen 
Volkes war mir für ein Glücksspiel zu hoch. Der Krieg war zu be¬
	        
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