Volltext: Das Weltkriegsende

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Die rein militärische oberste Kriegsleitung 
v. Kühlmann, der am 16. April bei einem Besuche im Großen 
Hauptquartier in Spa den Eindruck empfing, daß er das Vertrauen 
des Kaisers noch besitze, hielt ein jedes Vorwärtskommen in der 
Friedensfrage für ausgeschlossen, solange General Ludendorff in der 
belgischen Frage seinen ablehnenden Standpunkt beibehalte. Haef- 
ten gab sich hiermit nicht zufrieden und betonte die Möglichkeit einer 
Einigung mit Ludendorff. Nach einem Bericht, den Oberst v. Haef- 
ten Ende 1918 der O.H.L. über seine Tätigkeit in diesem Kriegs¬ 
jahre erstattet hat, ließ ihm Kühlmann erwidern, wenn General 
Ludendorff politische Wünsche habe, so möge er sich selber an ihn 
wenden. Die Schärfe der persönlichen Verstimmungen zwischen den 
beiden Männern hatte damals schon einen solchen Grad erreicht, daß 
ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten unmöglich war, ein Beweis 
dafür, welche ungeheure Tragweite im Kriege den Persönlichkeits¬ 
fragen zukommt. 
Nach Ansicht Haeftens war es jetzt Zeit, die Pause, die zwischen 
den verschiedenen militärischen Operationen notgedrungen eintrat, 
politisch tatkräftiger auszunutzen als bisher. Der Friede von Bu¬ 
karest war am 7. Mai unterzeichnet worden. Wenige Tage darauf 
begab sich Haeften ins Große Hauptquartier, wo Ludendorff, seiner 
Gewohnheit gemäß, die gesamte Lage mit ihm genau erörterte und 
sich sehr ernst über die Ersatzlage aussprach. Nur wenn die Heimat 
bald noch etwa 200 000 Mann brauchbaren Ersatzes dem Feldheere 
zur Verfügung stelle, bestehe eine Aussicht, die Entscheidung des 
Krieges militärisch herbeizuführen. Ludendorff fügte hinzu, daß er 
sowohl den Reichskanzler wie den Kriegsminister auf den Ernst der 
Ersatzlage hingewiesen habe; sie könnten aber beide keine Abhülfe 
schaffen. Diese Äußerungen ließen Haeften die dringende Notwen¬ 
digkeit einer baldigen Kriegsbeendigung klar erkennen: „Es war 
klar, der Krieg konnte mit militärischen Machtmitteln allein 
nicht mehr entschieden werden; es bedurfte hierzu der politischen 
und diplomatischen Unterstützung." Haeften kehrte nach Berlin 
zurück und begann mit der Ausarbeitung einer Denkschrift, Die auf 
die Einleitung einer allgemeinen Friedensoffensive hinausging. 
Im Großen Hauptquartier in Spa fanden am 11. Mai Bespre¬ 
chungen statt, zu denen man den Reichskanzler Grasen Hertling 
hergebeten hatte. Ihn begleiteten der Staatssekretär v. Kllhlmann, 
Unterstaatssekretär v. Radowitz und Oberst v. Winterfeldt. General 
Ludendorff schilderte den Verlauf der bisherigen Offensiven, die nun 
an anderer Stelle fortgesetzt werden müßten. Hat der Reichskanzler 
Graf Hertling aus seinen Darlegungen den Eindruck entnommen, 
daß es Zeit sei, nunmehr mit anderen Mitteln als den Waffen zum 
Frieden zu kommen? Nach den Aufzeichnungen des Rittmeisters 
Grafen Hertling, der den Besprechungen beiwohnte, ist das nicht der
	        
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