Volltext: Das Weltkriegsende

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Die rein politische Kriegsleitung 
Parteien nicht nur, sondern auch in der Presse hatte sich die Meinung 
festgesetzt, daß Deutschland nur dann günstige Waffenstillstands-- und 
Friedensbedingungen erhalten würde, wenn der Kaiser zurücktrat. 
Mit großer Sorge erfüllte die Männer der politischen Leitung in 
Berlin die Wirkung einer etwaigen Kaiserabdankung auf das Heer. 
General Groener hatte in seinen Bekundungen vor den Staatssekre¬ 
tären am 5. und 6. November die Abdankung des Kaisers gerade in 
Rücksicht auf die Stimmung beim Heere als völlig unmöglich bezeich¬ 
net. Man befand sich nun in einem schweren Dilemma. Was war ent¬ 
scheidender: die Rücksicht auf das Heer oder auf die Heimat? Zwei¬ 
fellos mußte ein Zusammenbruch der Heimatfront noch vor Abschluß 
der Waffenstillstandsbedingungen Deutschlands Lage auf das Äußerste 
benachteiligen, denn unsere Unterhändler hatten dann keinen Trumpf 
mehr in der Hand und mußten die Bedingungen des Feindes ohne 
die Möglichkeit weiteren Widerstandes annehmen. Ganz anders lag es, 
wenn jetzt eine zeitliche und sachliche Trennung der beiden großen 
politischen Fragen eintrat: zunächst mußte der Waffenstillstand unter 
Dach und Fach gebracht werden, dann erst konnte man zur endgül¬ 
tigen Regelung der Kaisersrage schreiten. 
Unglücklicherweise haben damals in Berlin über die termin¬ 
mäßige Möglichkeit eines Abschlusses der Waffenstillstandsverhand¬ 
lungen ganz unklare Vorstellungen geherrscht. Nachdem sich der 
Reichskanzler Prinz Max nach dem Eingang der vierten Wilsonnote 
am 6. November nachmittags zur sofortigen Entsendung der Waffen¬ 
stillstandskommission nach Spa entschlossen und diesen Tatbestand am 
7. November früh in den Zeitungen hatte veröffentlichen lassen, 
herrschte offenbar in Berlin die unklare Vorstellung, daß der entschei¬ 
dende Schritt nunmehr getan sei, und daß die Waffenstillstandsbedin¬ 
gungen jeden Tag eintreffen könnten. Hierbei war nicht mit den 
Schwierigkeiten gerechnet, die sich während der Reise der Waffenstill¬ 
standskommission nach Spa und von dort über die Kampflinien hin¬ 
weg ergeben konnten. Der Sonderzug brachte die Mitglieder der 
Waffenstillstandskommission tatsächlich erst am 7. November vormit¬ 
tags 8 Uhr nach Spa, wo gleich im Sitzungssaal der O.H.L. eine Be¬ 
sprechung stattfand. Auch Feldmarschall v. Hindenburg erschien zum 
Schluß der Besprechung und sagte zu Erzberger, es sei wohl das erste 
Mal in der Weltgeschichte, daß nicht Militärs, sondern Politiker einen 
Waffenstillstand abschlössen; er sei aber ganz damit einverstanden, zu¬ 
mal die O.H.L. keine politischen Richtlinien mehr auszugeben habe; 
die Armee brauche unter allen Umständen Ruhe. Er verabschiedete 
sich mit den Worten: „Reisen Sie mit Gott, und suchen Sie das Beste 
für unser Vaterland herauszuholen." 
Die Weiterfahrt erfolgte am 7. November mittags nach Chimay. 
Erst abends 9 Uhr 20 wurde die deutsche Front überschritten und
	        
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