Volltext: Das Weltkriegsende

In Erwartung der Antwort Wilsons 
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teiligung des Kaisers an der obersten Kriegsleitung anzubahnen. 
Ganz im gleichen Geiste hielt es auch Prinz Max von Baden für an¬ 
gezeigt, die Stellung des Obersten Kriegsherrn wieder zu heben. Er 
empfahl ihm daher bei einem Besuch am 6. Oktober, an Stelle des 
Herrn v. Berg seinen bewährten Kabinettschef v. Balentini wieder 
zu berufen. Die dem Kaiser abgezwungene Entlassung dieses Man¬ 
nes habe einen Übergriff in die Rechte der Krone bedeutet und dem 
Ansehen der Monarchie geschadet. Der Kaiser schien über die ihm 
vorgeschlagene Lösung erfreut, fragte aber gleich, ob Hindenburg und 
Ludendorff keinerlei Schwierigkeiten machen würden. Prinz Max 
konnte darüber beruhigende Auskunft geben, da er die notwendigen 
Erkundungen schon eingezogen hatte. Familieneinflüsse haben da¬ 
mals eine Wiederberufung Balentinis verhindert, denn der Kaiser 
teilte dem Prinzen Max am 9. Oktober zu seiner großen Überraschung 
mit, die Sache habe sich zerschlagen, es hätten sich in seiner Familie 
unerwartete Widerstände eingestellt; er glaube aber im Staatsmini¬ 
ster Clemens v. Delbrück einen guten Ersatz gefunden zu haben. Die 
Ernennung des Staatsministers C. v. Delbrück erfolgte am 9. Okto¬ 
ber. Am gleichen Tage wurde Scheüch an Stelle des Generals v. Stein 
Kriegsminister. 
Bon einer Stärkung der Stellung des Monarchen im Trium¬ 
virat konnte somit in den Oktobertagen des Jahres 1918, als der 
Notenkampf mit Wilson begann, keine Rede mehr sein. Im Gegen¬ 
teil, man sprach in vertrauten Kreisen bereits von einer Möglichkeit 
oder sogar Notwendigkeit einer Abdankung des Monarchen. Nur 
kurze Zeit noch, und diese Forderung sollte — zunächst in verhüllter 
Form — über den Ozean herüberschallen! 
Jetzt, wo das kriegerische Ringen sich dem Ende zuneigte, war in 
die maßgebendste Stelle der deutschen obersten Kriegsleitung der 
Reichskanzler gelangt. Die parlamentarische Verbreiterung der Re¬ 
gierung bedeutete aber nur scheinbar eine Verstärkung seiner Stel¬ 
lung, denn in Wirklichkeit war er in hohem Maße von der Zustim¬ 
mung seines vielköpfigen Kabinetts abhängig. Einen schroffen Stand¬ 
punkt gegenüber den Anschauungen dieser Berater und der maßge¬ 
benden Persönlichkeiten im Parlament konnte er kaum wagen, wenn 
er die schon damals fast unerträglichen Spannungen nicht noch ver¬ 
schärfen wollte. 
Die bis zum 4. Oktober in ihrem Machtbereich und darüber hin¬ 
aus fast souveräne Oberste Heeresleitung war durch die Entwicklung 
der Dinge jetzt zu einem Ressort des Reichskanzlers herabgesunken. 
Zwar erforderte der Abwehrkampf an der Westfront die höchste An¬ 
spannung aller Kräfte, aber der eigentliche militärische Teil des 
Schlußringens war nach dem Schwinden der Hoffnung und der Mög-
	        
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