Volltext: Das Weltkriegsende

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Die rein politische Kriegsleitung 
beim Übergang zur Parlamentaristerung in seinem neuen Kabinett 
zum Ausdruck brachte. Da es jetzt wesentlich auf den guten Willen 
der Parteien anzukommen schien, mußten Persönlichkeiten in das 
Kabinett aufgenommen werden, die weder dem Kaiser noch dem 
Prinzen Max genehm waren. Gegen die Berufung Erzbergers hatte 
der Kaiser schon früher Bedenken geltend gemacht. Schließlich gab 
die Erwägung Payers den Ausschlag, daß Erzberger als Mitglied der 
Regierung ungefährlicher sein würde als im Parlament. Man be¬ 
rief ihn zum Staatssekretär ohne Portefeuille, ebenso die Abgeord¬ 
neten Gröber und Scheidemann. Aus diesen drei Staatssekretären, 
ferner dem Vizekanzler, den Staatssekretären Graf Roedern und Sols 
sollte unter Vorsitz des Reichskanzlers nunmehr der „engere Kriegs¬ 
rat" bestehen. Hierzu trat am 9. Oktober der Kriegsminister Scheüch, 
am 14. Oktober der Staatssekretär Conrad Haußmann. 
Hiermit war eine politische Einrichtung geschaffen, die mit den 
bisher üblichen Grundlagen der obersten Kriegsleitung in schroffem 
Gegensatz stand. Hatte bis jetzt die O.H.L. in allen auf die Kriegfüh¬ 
rung bezüglichen Dingen das maßgebende Wort zu sprechen gehabt, so 
sank nunmehr die militärische Leitung zu einer Auskunftsbehörde 
herab, die jederzeit der politischen Leitung, also dem engeren Kriegs¬ 
rat, nicht nur auf Befragen, sondern wenn nötig aus eigenem An¬ 
triebe, vollen Aufschluß über die Lage an den Fronten zu geben hatte. 
Sie war somit völlig auf die rein militärischen Dinge beschränkt. 
Für eine derartige Regelung war das tiefe Mißtrauen bestim¬ 
mend, das durch das Verhalten der O.H.L. am 29. September und in 
den Tagen nachher ausgelöst worden war. Immer von dem Bestre¬ 
ben ausgehend, die Regierungsbildung in Berlin zu beschleunigen, 
hatte die O.H.L. auf die gerade eben erst ihr verantwortungsvolles 
Amt übernehmenden Männer eingewirkt, um die Absendung der 
Rote an Wilson zu beschleunigen. So hatte sich schließlich der neue 
Kanzler veranlaßt gesehen, vor Deutschland und der Welt „den un¬ 
seligen Schritt" mit seiner Verantwortung zu decken. Er hatte sich 
sogar den Anschein geben müssen, „als stände seine politische Initia¬ 
tive dahinter und nicht die der Obersten Heeresleitung". Prinz Max 
von Baden hat unter dem Zwange, der von vornherein auf seinem 
Handeln lag, schwer gelitten. „Ich wurde von allen Seiten bedrängt, 
meinen Namen herzugeben, weil meine Reden und meine Tätigkeit 
in der Gefangenenfürsorge am ehesten eine Resonanz verbürgten. 
Mir schien es feig, auszubrechen, nachdem ich gerufen worden war 
und nun eine Lage vorfand, die viel schlimmer war, als ich erwartet 
hatte. Ich mußte zugeben, daß in meinem Munde das Bekenntnis 
zum Rechtsfrieden nicht nur als Notschrei wirken würde"2. 
2 Prinz Max von Baden, Erinnerungen und Dokumente, S. 352.
	        
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