Volltext: Das Weltkriegsende

Der 29. September 125 
Mochte Kanzler werden, wer da wollte: auch er blieb für die 
Kriegslage immer wieder von dem Urteil der O.H.L. abhängig. In¬ 
sofern tat die O.H.L. mit der Entsendung des Majors Frhr. v. dem 
Bussche nach Berlin den stärksten Schritt, den sie tun konnte, wenn es 
ihr darauf ankam, den von ihr einmal dargelegten Ernst der Lage 
nicht etwa in Berlin bei der Kanzler- und Regierungssuche verwischen 
zu lassen. Es zeigte sich bei dieser Gelegenheit die aus den Verhält¬ 
nissen erwachsende Monopolstellung der O.H.L. hinsichtlich der Beur¬ 
teilung der Kriegslage in ihrer ganzen Schwere. Vielleicht wäre es 
gut gewesen, die Armeeführer darüber zu hören, wie sie über die 
Möglichkeit einer weiteren schrittweisen Verteidigung dächten. Noch 
aber war die Sonderstellung der O.H.L. hinsichtlich der Beurteilung 
der Lage so unbestritten, daß niemand sich zu einer derartigen For¬ 
derung entschloß, auch nicht der Staatssekretär v. Hintze, der von dem 
Ernst der Lage so betroffen war, daß er es für unrichtig hielt, die bei¬ 
den großen Heerführer mit Fragen zu behelligen, „wo jede Stunde 
Verzuges Gefahr bedeutete." 
Wie schwer es den Männern der O.H.L. geworden ist, den Krieg 
in der geschilderten Form verloren zu geben, zeigte sich deutlich bei 
einer Versammlung der Abteilungchefs im Großen Hauptquartier, 
denen Ludendorff am 29. September, abends 10 Uhr, mitteilte, was 
an diesem Tage geschehen und beschlossen war. Für den Westen seien 
Reserven nicht mehr verfügbar. Angesichts der ernsten Kämpfe würde 
er sich wie ein Hazardspieler vorkommen, wenn er nicht auf die bal¬ 
digste Beendigung des Krieges durch einen Waffenstillstand drängte. 
Dies sei geschehen. Im völligen Einvernehmen mit dem Generalfeld¬ 
marschall sei er zu diesem Ergebnis gekommen. Run handele es sich 
um die Bildung eines Ministeriums auf breiter Grundlage; Graf 
Roedern sei mit Vorbesprechungen hierfür beauftragt worden. Ge¬ 
neral Ludendorff sprach sehr ruhig. Die Zuhörer wußten, „daß der 
Weg zu dieser Ruhe durch wochenlange schwerste Seelenkämpse ge¬ 
gangen war." 
Der 29. September 1918 bildet mit dem schwarzen Tage des 
8. August das verhängnisvollste Datum des Weltkrieges. Der Glaube 
an eine siegreiche Beendigung des Krieges war endgültig zerstört. 
Durch den Rücktritt des Reichskanzlers Grafen Hertling aber entstand 
eine unerträgliche Lücke. In der wichtigsten und schwersten Stunde 
des ganzen Krieges fehlte der verantwortliche Rat eines Staatsman¬ 
nes von anerkannter Autorität. Ein neuer Reichskanzler mußte erst 
gesucht werden; der Staatssekretär des Äußeren führte aber die 
Außenpolitik nur nach den Weisungen des Reichskanzlers. Hintze 
selbst hatte sein Amt erst vor etwa zwei Monaten übernommen. Auf 
ihm lastete die ganze Schwere der von der O.H.L. bekundeten Über¬
	        
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