Volltext: Bemerkungen zu den deutschösterreichischen Friedensbedingungen

int Kriegszustände zu fein. Sie hätten also die Möglichkeit, für sich den 
bisherigen Handelsvertrag zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn aufrecht 
zu erhalten. Deutschösterreich gegenüber haben sie diese Möglichkeit nicht. Hier 
gibt es keine Verträge, die wieder in Kraft gesetzt werden könnten. Infolge¬ 
dessen könnte beispielsweise die Tschecho-Slowakei von Deutschland die Wieder¬ 
inkraftsetzung des österreichisch-ungarisch-deutschen Handelsvertrages verlangen. 
Deutschland würde darnach auch bei der Einfuhr nach Böhmen die Sätze 
des früheren Vertragstarifs genießen, während Deutschösterreich verhalten 
werden könnte, bei der Einfuhr nach der Tschecho-Slowakei die autonomen 
Zölle zu zahlen, da nach dem Vertrage wohl die Tschecho-Slowakei in 
Österreich, nicht aber dieses in der Tschecho-Slowakei die Meistbegünstigung 
genießt. Man sieht, bis zu welchen Absurdidäteu schließlich das gehässige 
Streben führt, Deutschland und gleich ihm Deutschösterreich überall zu benach¬ 
teiligen, auszuschalten und zum Spielball fremder Willkür zu machen. 
Sowohl diese Bedenken, wie auch die Befürchtung, daß die Ausübung 
der Vertragsoption ein Hindernis für den zollpolitischen Zusammenschluß 
Deutschösterreichs und Deutschlands bilden könnte, werden gegenstandslos, 
wenn die weiter unten im Abschnitt V und VII dieser Denkschrift beantragte 
Änderung der Artikel 5 und 6 sowie 11 und 12 stattfindet. Unter dieser 
Voraussetzung kann Artikel 24 unverändert belassen werden. Man kann dann 
damit rechnen, daß alle Staaten, die ein Interesse daran haben, den Genuß 
des Vertragstarifs für ihre Einfuhr nach Deutschösterreich sich zu sichern, 
von der Vertragsoption Gebrauch machen werden. Im übrigen ist noch 
darauf hinzuweisen, daß man auch im Rate der Alliierten empfunden zu 
haben scheint, wie ungereimt es ist, die Teilstaaten, in die die Monarchie 
zerfallen ist, Deutschösterreich gegenüber geradezu gewaltsam in einen ver¬ 
tragslosen Zustand hineinzuzwingen, so daß Länder, die früher ein Zoll¬ 
gebiet bildeten, sich jetzt plötzlich gegenseitig ungünstiger behandeln würden 
als fremde Länder, denen sie nach wie vor ihre Vertragstarife einräumen. 
Auch scheint die Notwendigkeit empfunden worden zu sein, der Neigung 
dieser neu entstandenen kleinen Staaten zu zollpolitischen Exzessen vorzu¬ 
beugen. 
Infolgedessen findet sich in Artikel 6 des Abschnittes III von 
Vertragsteil III die Bestimmung, daß der tschechoslowakische Staat 
in einen mit den alliierten Hauptmächten zu schließenden Vertrag jene Ver¬ 
einbarungen aufnehmen wird, die sie für notwendig halten, um die Frei¬ 
heit der Durchfuhr und eine billige Behandlung für den Handel 
der anderen Völker zu sichern. 
Die gleiche Bestimmung enthalten bie deutschen Vertragsbedin¬ 
gungen in Artikel 86 für bie Tschecho-Slowakei unb Artikel 93 für Poleu. 
Ferner kehrt sie in Artikel 5 bes Abschnittes IV, Teil III, bes bentsch- 
österreichischen Vertrages für Rumänien wieber. Man kann annehmen, baß 
sie in gleicher Weise auch ben Jugoslawen unb Ungarn auferlegt werben 
wirb. Die Aufnahme bieser Bestimmungen in ben bauschen unb beutfchöster- 
reichischen Vertrag zeugt nun boch wohl bcivon, baß man Deutschland. unb 
Deutschösterreich von ben geplanten Erleichterungen bes Hanbels in ben 
neuen Staaten nicht ausschließen will. Die Bestimmung trägt vielmehr 
gerabezu ben Charakter einer im Hinblick aus bie Gebietsveränberung 
gemachten Zusicherung. Ist bies beabsichtigt, so ist es nun wohl gleich besser, 
bas Minbestmaß ber notwenbigen Erleichterungen bes allgemeinen Hanbels- 
verkehrs unb gleichzeitig auch das Minbestmaß ein freier Beweglichkeit, bas 
jedem einzelnen Staate, nicht nur Deutschland und Deutschösterreich, im Hin¬ 
blick auf ihre gegenseitigen Beziehungen gewahrt werden muß, im Vertrage 
allgemein bindend festzusetzen und dadurch einen entscheidenden Schritt in der 
von Wilson eingebeuleten Richtung ber Herstellung gleicher Bebingungen für 
ben Hanbel ber Völker zu tun.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.