Volltext: Bemerkungen zu den deutschösterreichischen Friedensbedingungen

Bei der Verhandlung dieser Frage unterscheidet der Vertrag zwischen 
mehrseitigen oder Kollektivverträgen und zweiseitigen Verträgen. 
Von den mehrseitigen Verträgen, welche die frühere Monarchie 
mit den alliierten Staaten geschlossen hatte, handeln die Artikel 17 bis 23. 
Von diesen Verträgen sollen nur jene auf die Republik Österreich angewendet 
werden, die in diesen Artikeln aufgezählt sind. Für einzelne von ihnen wird 
die Wiederinkraftsetzung an besondere Bedingungen geknüpft. Zn besonderen 
Bemerkungen geben diese Artikel keinen Anlaß. Im übrigen wird auf die 
Bemerkungen zu den deutschen Friedensbedingungen (zu Artikel 282 bis 288) 
verwiesen. 
Von den zweiseitigen Verträgen handelt Artikel 24, der wört¬ 
lich mit Artikel 289 der deutschen Friedensbedingungen überein¬ 
stimmt (vergleiche dazu die Bemerkungen zu den deutschen Friedens¬ 
bedingungen zu Artikel 289 auf Seite 21). Diese Ausführungen bedürfen 
einer Ergänzung dahin, daß die Hauptgefahr nicht in der Ausübung, sondern 
in der Nichtausübung des Optionsrechtes liegt, das der Artikel den alliierten 
Mächten gegenüber Österreich wie gegenüber Deutschland einräumt. Nach 
den Artikeln 1 bis 4 des Abschnittes X haben die alliierten Staaten in 
Österreich einseitig den Genuß der Meistbegünstigung. Artikel 7 sichert ihnen 
überdies für die ersten sechs Monate nach Friedensschluß den Genuß unseres 
ganzen Vertragstarifes und bindet die bisherigen Vertragssätze für einzelne, 
besonders Italien und Serbien interessierende Artikel auf weitere 30 Monate. 
Es besteht also für diese Staaten eigentlich nur ein geringer Anreiz, von der, 
Option Gebrauch zu machen und uns dadurch wieder in den Besitz der 
Meistbegünstigung und der in unseren früheren Handelsverträgen enthaltenen 
Tarifermäßigungen zu bringen. Dazu kommt noch, daß die Mehrzahl unserer 
Vertragssätze iiu deutschen Vertragstarif enthalten war und daß wir aller 
Voraussicht nach genötigt sein werden, den deutschen Vertrag aufrecht¬ 
zuerhalten oder zu erneuern, so daß auch diese Sätze im Wege der Meist¬ 
begünstigung' den alliierten Staaten zugute kommen würden. 
Eine besondere Besprechung erheischt noch der letzte Absatz des Artikels 
Er besagt, daß feine Vorschriften auch auf alle zweiseitigen Verträge zwischen 
Österreich und einer alliierten oder assoziierten Macht, die den Friedens¬ 
vertrag unterzeichnet hat, anwendbar sind, auch wenn die betreffende Macht 
nicht im Kriegszustände mit Österreich war. Dies geht in erster Linie auf 
einige überseeische Staaten, die sich damit begnügt haben, die Beziehungen 
abzubrechen, ohne wirklich den Krieg zu erklären. Deutschland gegenüber war 
dies bei Bolivien, Eeuador, Peru und Uruguay der Fall. Nach völkerrecht¬ 
lichen Grundsätzen zieht der Abbruch der Beziehungen keineswegs die 
Hinfälligkeit bestehender Verträge nach sich. Um nun das von der Entente 
angestrebte Ziel vollständiger Zerstörung der auswärtigen Beziehungen Deutsch¬ 
lands zu erreichen, mußte für diesen Fall eine besondere Vorsorge getroffen 
werden. Es schien dies um so wichtiger, als gerade in einzelnen dieser 
Staaten, so zum Beispiel in Bolivien, Deutschland starke wirtschaftliche 
Positionen hatte. Als Beispiel sei hier nur der deutsche Besitz an bolivianischen 
Zinngruben angeführt. Die Vorsorge ist, wie vielfach im Vertrage, eine 
mehrfache. Ist der Artikel 1 des Teiles IV (beziehungsweise 118 der 
deutschen Friedensbedingungen) in der extensiven Weise auszulegen, wie dies 
oben vermutet wurde, so ist schon in seinen Bestimmungen der Verzicht auf 
alle Vertragsrechte in diesen Staaten einschließlich der Handelsverträge ge¬ 
legen. Wenn nicht, so gewährt der Schlußabsatz des Artikels 24 (beziehungs¬ 
weise Artikels 289 der deutschen Friedensbedingungen) die Möglichkeit, einen 
angekündigten und voll in Kraft stehenden Handelsvertrag dadurch außer 
Kraft treten zu lassen, daß man nicht den Wunsch notifiziert, ihn aufrecht 
zu erhalten. In die gleiche Kategorie gehören die aus dem Gebiete der 
Monarchie entstandenen neuen Staaten. Auch sie gehörnt zu den alliierten 
und assoziierten Staaten, ohne — wenigstens zum Teile — mit Deutschland
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.