Volltext: Das Wirken des Prämonstratenserstiftes Schlägl im letzten Jahrhunderte (1818 - 1918)

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selbstverständlich, daß man den Priester rief, wenn sich eine gefährliche Krank 
heit einstellte; Schwierigkeiten zu machen, die Sache hinauszuschieben oder den 
Priester erst zum Bewußtlosen oder Halbtoten zu rufen, war unbekannt. Der 
Seelsorger hakte weniger über Nachlässigkeit und Saumseligkeit zu klagen, als 
über zu große Aengstlichkeit, was bei dein damaligen Stande der medizinischen 
Bildung und dem Mißtrauen der Leute gegen den „Bader" begreiflich war. 
Der Krankenbesuch war häufig, die Vorbereitung auf den letzten Gang gewissen 
haft und gründlich. 
An kirchlichen Vereinen retteten sich aus der Zeit des Josefinismus die 
Armenseelen-Bruderschaft (Rohrbach), die Bruderschaft vom kostbaren Blute 
(Haslach) und der dritte Orden (St. Oswald). Sie bestanden eine Zeitlang ohne 
priesterliche Führung fort, bis sich seeleneifrige Priester ihrer wieder annahmen. 
So tat es mit dem dritten Orden der Pfarrer Michael Hofer in den dreißiger 
Jahren. Auch die alten Zünfte in den Märkten behielten noch lange ihren reli 
giösen Charakter bei, indem sie die gestifteten Jahrtage gewissenhaft feierten 
und bei kirchlichen Festlichkeiten, besonders der Fronleichnamsprozession, in 
eorpors ausrückten und gewisse Ehrendienste, z. B. Himmel- und Lichtertragen, 
besorgten. Kirchliche Bräuche und Zeiten wurden noch treu gehalten, nament 
lich die Fastendisziplin. Obwohl längst in unseren deutschen Landen an strengen 
Fasttagen der Genuß von Milch- und Eierspeisen gestattet war, enthielt sich das 
Volk an einigen Tagen dieser Speisen und versagte sich jedes Frühstück. Die 
einmalige Sättigung wurde im übrigen Praktisch nicht geübt, weil man sich durch 
schwere Arbeit für entschuldigt hielt, die Enthaltung von Fleischspeisen aber wurde 
fast ohne Ausnahme strenge beobachtet. 
Das Verhältnis zwischen Seelsorger und Volk war noch ganz patriarchalisch. 
Das Volk sah im Priester den geistlichen Vater und kam ihm mit Liebs und Ver 
trauen entgegen, seine Autorität war sehr groß, man suchte seineu Rat, man 
wandte sich an ihn in Freud und Leid, in persönlichen, öffentlichen und Familien 
anliegen; den Besuch des Priesters betrachtete man als große Auszeichnung und die 
Stiftsherren besuchten auch gerne die ehrbarsten und angesehensten Familien der 
Umgebung des Stiftes. Da plauderte man mit den Hausleuten, spielte mit ihnen 
längst vergessene Spiele, berichtete die Neuigkeiten der weiten Welt, von denen 
die Leute bei dem Mangel an Zeitungen nichts wußten. Einige der Stiftsherren 
gaben fast alle ihre Ersparnisse aus, um gute Bücher unter die Leute zu bringen, 
einer, Ludolf Zimmermann, ging an Sonntagen mit seiner Geige von Dorf zu 
Dorf und lehrte die jungen Leute anständige Lieder, um die zweifelhaften und 
schlechten „Gsaugeln" zu verdrängen. Kein Familienfest wurde gefeiert, wozu man 
nicht den Priester eingeladen hätte. Der Seelsorger konnte auf seine Leute rechnen: 
sie füllten seine Kirche, wenn er sie rief, sie halfen aber auch sonst, wenn er eine 
Gefälligkeit brauchte, wenn ihn in Stall oder Wirtschaft ein Unglück getroffen hatte. 
Die Seelsorge war also verhältnismäßig leicht und dankbar, von Vertrauen, 
Liebe und Anhänglichkeit beseelt. Noch jetzt sind manche der alten Seelsorger
	        
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