Volltext: Briefe

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An Gustav Heckenast 
Linz, 20. Juli 1857 
Mein Sehnen seit vielen Jahren ist in Erfüllung ge 
gangen: ich habe das Meer gesehen. Ich kann Ihnen mit 
Worten nicht beschreiben, wie groß die Empfindung war, wel 
che ich hatte. Alle Dinge, welche ich bisher von der Erde ge 
sehen hatte, Alpen, Wälder, Ebenen, Gletscher usw. - ver 
sinken zu Kleinlichkeiten gegen die Erhabenheit des Meeres. 
Ich wußte nicht, wie mir geschah. Ich hatte eine so tiefe Emp- 
sindung, wie ich sie nie in meinem Leben gegenüber von Natur- 
dingen gehabt hatte. Zwei Stunden des frühen Morgens am 
zwanzigsten Juni blieb ich auf einem Hügel bei Opschina fitzen 
und sah auf das tief unter meinen Füßen liegende Meer. Wie 
groß ist Gott, wie herrlich ist seine Welt! Ich werde Ihnen 
mündlich sehr viel sagen, das Papier ist zu jeder Mitteilung zu 
klein. Auch die nächsten Tage oft stundenlang hart am Strande 
des Meeres stehend, konnte ich nicht satt werden, dasselbe zu 
betrachten. Ich hatte nicht geahnt, daß das Meer so lieblich 
sein könne. Jeden Tag, jede Stunde war es anders und immer 
herrlich. In Farben wie lichter Smaragd, wie leuchtender Azur, 
wie tiefes Ultramarin, ja wie ein Panzer mit lauter Silber 
schuppen spielte es vor mir, je nachdem die Sonne es streifte, 
eine mit Wolken gestickte oder ganz reine Kuppel über ihm 
stand, je nachdem der Himmel am Morgen in tiefer Bläue 
ruhte oder am Nachmittage in fast weißer Hitze glühte. Am 
einundzwanzigsten nachmittags sah ich ein Gewitter im Westen 
aus dem Meere emporsteigen. Die Wolken standen senkrecht
	        
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