Il. Teil.
„L’Impero Britannico“
von Alberto Geisser („Riforma Sociale*, Gennajo 1915).
Übersetzung des letzten Teiles der Schlussbemerkung ($ 3, Seite 61—64).
Egoismus — gegenseitiges Sich-kennen-lernen — „Moral“ unter Völkern.
In dem Buche „Der Mensch und die Moralwissenschaften“
(L’uomo e le scienze morali, Lemonnier, Firenze 1871), welches,
wenn es in einer fremden Sprache verfasst worden wäre, wohl
einen viel grösseren Widerhall und Erfolg gefunden hätte, lehrt
unser Aristide Gabelli, dass, während der Egoismus die eigent-
liche Triebkraft des Menschen ist, der „Moral“ die Aufgabe zu-
zewiesen ‚ist, die nötige Disziplinierung und Zügelung dieses
Triebes zu ermöglichen.
Dieser führende Gedanke in Gabellis Buch ist durchaus
wahr, sowohl für den einzelnen Menschen und sein persönliches
Gewissen, als für die Beziehungen von Mensch zu Mensch inner-
halb der bürgerlichen Gemeinschaft. Und es ist die Moral im
weitesten Sinne, die fortschreitende Sicherheit in richtiger Zügel-
führung gegenüber den treibenden Kräften der Begierden und
Kampfinstinkten, die Achtung vor der Persönlichkeit unseres Näch-
sten, das Überwiegen altruistischer Prinzipien in den Gefühlen
und Kriterien der. Vergesellschaftung und Solidarität, in den Be-
ziehungen von Mensch zu Mensch, worin wir den Fortschritt der
Zivilisation erblicken.
Für die Beziehungen von Volk zu Volk besteht nichts der
Moral Ähnliches, nichts als einige fragmentarische, im Entstehen
begriffene Leitsätze, die sich widerstandsvoll empor arbeiten aus
Jahrtausende dauernder Übervorteilung und Gewalttätigkeit. Das
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