Volltext: Von Lüttich über Namur nach Maubeuge

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wie wir das stolze Lüttich nahmen. 
Das ganze Zart flog in die Luft, und die Desatzung, 800 Mann, 
wurde bis auf 6 verwundete getötet. Das ganze Fort bot einen 
entsetzlichen Anblick. Kein Stein stand auf dem anderen. Schwere, 
viele hundert Zentner wiegende Geschütztürme waren gleich durch¬ 
schlagen oder umgeworfen. Ich hätte nie geglaubt, datz unsere 
schwere Artillerie eine derartige Wirkung erzielen könnte..." 
So war denn auch, knapp acht Tage nach der ersten Berennung, 
das letzte Vollwerk um Lüttich gefallen. Nun aber gab es auf 
den weiten Feldern des Todes schwere Arbeit für unsere wackere 
Sanitätsmannschaft. Aus dem ausführlichen Bericht eines Kranken¬ 
trägers heben wir die folgende Stelle aus: 
„Wir gingen in das offene Feld hinein und kamen zunächst 
an einen kleinen, von Buschweiden begrenzten Bach. Der Rasen 
dämpfte unsere Schritte und wir gingen lautlos dahin. „Ob grand 
malheur!“ klang es plötzlich seufzend an unser Ghr, sodaß wir 
horchend stehen blieben. „Ob grand malheur — oh ..Gleich¬ 
zeitig regte es sich einige zehn Schritte von uns entfernt in den 
Weiden diesseits am Bachrande, und wieder klagte dieselbe Stimme: 
„Ob grand malheur-", bis sie plötzlich in einem kurzen Schrei 
brach, der ein halbes Stöhnen und halbes Schluchzen war. „Tin 
Franzose," sagte mein Kamerad leise. - „Rein, ein Belgier!" fügte 
ich hinzu, „laß uns sehen." Wir gingen der Stelle näher, vor¬ 
sichtshalber nahm ich meinen Revolver in die Hand, denn man 
konnte immerhin nicht wissen, um was es sich handelte. Je näher 
wir der Stelle kamen, desto vernehmbarer wurde das knickende, 
brechende Geräusch in den Weiden und desto deutlicher ein dumpfes, 
schmerzliches Stöhnen. Es war sicher ein verwundeter. Als wir 
nahe heran waren, blieb ich stehen und ries: „Wer da?" Gleich 
verstummte das Stöhnen, alles wurde totenstill. Eben hatte ich 
Deutsch gesprochen und fuhr nun aus Französisch fort: „Ist jemand 
dort? — Ein Belgier? — verwundet? Wir sind deutsche Sanitäts¬ 
personen und keine Feinde." Keine Antwort. Da bog der Rhein¬ 
länder die Weiden kurzerhand auseinander, und vor uns lag am 
äußersten Rande des Ufers ein verwundeter belgischer Soldat. Er 
hielt beide Hände in das klare, rieselnde Wasser; die Hände waren, 
wie wir gleich daraus sahen, furchtbar zerschossen und mußten den 
Armen grausam brennen, sodaß er sicher um der Kühlung willen 
das Wasser ausgesucht hatte. Als der verwundete merkte, daß wir 
ihn entdeckt hatten, bog er mit scheuem Ducken den Kopf zu uns 
herüber, und in seinen Augen schimmerte die dunkle Angst. Er 
hatte wahrscheinlich gleich den Revolver in meiner Hand erblickt, 
denn er hob, noch ehe wir etwas sagen konnten, flehentlich die zer¬ 
schossenen Hände empor und bat zitternd: „Ob pardon — pardon —
	        
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