Volltext: Geuter's Neuer illustrirter Führer von Meran und Umgebung [41-42]

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Zenoburg. 
heilige St. Zeno trat mehr in Vordergrund. Der Berg erhielt nach 
ihm den Namen Zenoberg. Die Burg selbst scheint erst im 12. Jahrh. 
entstanden zu sein; in Urkunden des 13. Jahrh. geschieht ihrer mehr¬ 
fach Erwähnung. Ihre Blütezeit fällt in die Tage König Heinrichs 
(1315—35), des jüngsten Sohnes des Grafen Meinhard II. von Tirol, 
eines ,,vielgerühmten munteren Herrn“, der nach seiner Vertreibung- 
aus Böhmen auf der Zenoburg mit Vorliebe weilte, sie ausbaute und 
vergrösserte, hier Minnesänger und Troubadours empfing und „der 
Minne Sold“ verdienen liess. Bald nach dieser Zeit des Glanzes ward 
sie von König Karl von Böhmen in der Fehde mit Margarethe Maul- 
tasch, der Tochter Heinrichs, berannt und zerstört, um sich dann, ob¬ 
wohl wieder aufgebaut, nie mehr zu früherer Herrlichkeit zu erheben. 
Als Lehen vergeben oder von landesfürstlichen „Pröpsten“ verwaltet, 
verfiel sie im Laufe der Zeit mehr und mehr, bis sie endlich völlig: 
Ruine geworden, 1782 von der Regierung an einen Meraner Bürger 
Veit Jordan verkauft wurde, von dessen Sohn sie Leopold von Braiten- 
berg im Jahre 1800 für 2000 fl. erwarb; seine Nachkommen haben sie 
noch im Besitz und führen davon ihr Adelsprädicat. 
Erhalten sind von der Burg nur mehr ein Turm, einige Mauer¬ 
reste der übrigen Baulichkeiten und die dicht am Absturze des Felsens 
liegende Doppelkapelle, deren eine Hälfte dem St. Zeno, die zweite 
durch eine Scheidewand von ihr getrennt, der hl. Gertraud geweiht 
war. Von hohem kunstgeschichtlichem Interesse ist das romanische 
Sandstein-Portal an der Nordseite der ersteren, das aus dem 
13. Jahrh. stammt und reichen figürlichen Schmuck mit dem 
ältesten Tiroler Adler zeigt. 
Die Aussicht von der Burg umfasst gegen Norden das vom 
Jaufen abgeschlossene Passeirerthal mit den Dörfern Kuens und Riffian 
links, Schenna rechts, gegen Osten breitet sich Obermais aus mit 
seinen zahlreichen Schlössern, Edelsitzen und Villen, darüber am 
Ausgange des Naifthales rechts Schloss Labers, links Schloss Goyen, 
über dem der Ifinger zu 2553 m ansteigt, weiterhin rechts der Frei¬ 
berg mit der kleinen Kirche Katharina in der Scharte, im Süden end¬ 
lich das Etschthal. Der Zutritt zur Zenoburg ist vom Eigentümer im 
Allgemeinen nicht gestattet, kann aber leicht durch eine Anfrage bei 
Herrn Kurarzt Dr. von Braitenberg erlangt werden. 
Nahe Spaziergänge. 
Die Spaziergänge in Merans nächster Umgebung sind 
sämtlich mit Wegweiser versehen; in der weiteren Um¬ 
gebung haben die Meraner Sektionen des D. u. Oe. A.-Y. und 
des Oe. T.-O. die lohnenden Ausflüge in üblicher Weise durch 
Farbenzeichen markirt. 
Während in manchen Orten Südtirols Felder und Wein¬ 
berge von hohen Mauern umfriedet sind, die sich längs der 
Wege hinziehen und die Aussicht versperren, ist dies in und 
um Meran nicht der Fall. Der Blick ist hier nach allen 
Bichtungen hin frei, auch das Betreten der durch Baum- und 
Weingärten führenden Wege stets gestattet. Nur im Spät¬ 
sommer und Herbst, wenn die Traubenreife beginnt, sieht 
man häufig an Pfählen eine roh gearbeitete, ausgespreizte 
Hand („des Königs Handschuh“, uralter deutscher Bechts-
	        
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