Volltext: England, der Feind [16]

durch einen deutsch-englischen Krieg in das eigene Fleisch schneiden, 
ohne etwas zu gewinnen. Andererseits gehörte hierzu das übliche 
Argument: wenn wir Deutsche uns an die Stelle zu setzen ver¬ 
suchten, so wisse doch jeder Deutsche, daß das Deutsche Reich 
und Volk nie daran denken würde, einen großen Krieg zu ent¬ 
zünden, nur weil es etwa beabsichtigt, reicher zu werden oder 
die friedliche Konkurrenz eines anderen Volkes im Welthandel 
totzumachen. Wie konnte man so etwas also denr Vetter zu¬ 
trauen? Daß, abgesehen von vereinzelten Zeitungsstimmen, man 
in England den gleichen Gedanken mit Entrüstung von sich wies, 
war selbstverständlich. Auch in den ausführlichsten Beteuerungen 
und scheinbar nüchternsten Darlegungen hat es auf englischer 
Seite nicht an der emphatischen Beteuerung gefehlt, daß das 
britische Reich ein Reich des Friedens, daß Großbritannien an 
Kolonialbesitz vollkommen gesättigt sei und nichts mehr brauche. 
Ein europäischer Krieg würde von Großbritannien als das denkbar 
größte Anglück betrachtet, für Europa, für den britischen Lande! 
und für die ganze Welt. Was Großbritannien bedürfe und 
worauf es bestehen müsse, das sei die Notwendigkeit einer Kriegs¬ 
flotte, welche in jedem Augenblicke und gegen jeden möglichen 
Gegner die überseeische Schiffahrt nach und von den großbritan¬ 
nischen Inseln schützen und ihren Fortgang gewährleisten könne. 
Nur Bedrohung des Vorranges seiner Seemacht und auch von 
deren Betätigungsmöglichkeit bildeten vitale Fragen für das 
britische Reich, ebenso natürlich direkte Bedrohung der Grund¬ 
lagen des britischen Weltreiches. Als eine Bedrohung der letzteren 
Kategorie ist bekanntlich viele Jahre lang der ursprüngliche deutsche 
Bauplan der Bagdadbahn ausgegeben worden. Vor wenigen 
Jahren fand man noch in französischen Zeitschriften die nach 
Großbritannien gerichtete Warnung, eines Tages werde man die 
deutschen „Dreadnoughts", auf Koweit gestützt, im Persischen 
Meerbusen schwimmen sehen. 
Das war nur eine der vielen politischen und wirtschafts¬ 
politischen Fragen, angesichts derer viele Deutsche sich mit un¬ 
gläubigem Staunen fragten, ob die zur Schau getragene gro߬ 
britannische Entrüstung und Besorgnis und die daran geknüpften 
Notschreie nach einer europäischen Koalition gegen Deutschland 
und nach einer Einschränkung des deutschen Flottenbaues, nach 
einer Ausdehnung des britischen, wirklich echt und aufrichtig ge- 
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