Volltext: England, der Feind [16]

die „Flottenfanatiker" zur Ruhe gebracht würden. Dieses letzte 
Arteil, beiläufig bemerkt, ist weit häufiger in Deutschland selbst 
als etwa in England gefällt worden. 
Aus diesen Auffassungen ergab sich die deutsch-englische Ver¬ 
ständigungspolitik des letzten halben Jahrzehntes, eine Politik, 
welche eben die Annahme zur Grundlage hatte: tatsächlich 
trennende Momente zwischen den beiden Völkern und Mächten 
seien nicht vorhanden, sondern nur die Nebel eines undurchsichtigen 
gegenseitigen Mißtrauens. Diese Nebel zu beseitigen, mußte mithin 
bei gegenseitigem gutem Willen möglich sein und ip80 facto zu 
einer Verständigung führen, in weiterer Folge zu gegenseitigem 
Vertrauen, Zusammenarbeiten auf der Grundlage des Vertrauens 
und damit schließlich zu einer annähernd unfehlbar sicheren Garantie 
des europäischen Friedens. Denn wie sollte der gestört werden 
können, wenn Großbritannien und Deutschland fest und vertrauens¬ 
voll zusammenhielten! 
Diese Reihe von Schlußfolgerungen war an sich richtig. 
Was ihnen fehlte, war nur die Tatsächlichkeit der Grundlage, 
auf der sie alle errichtet waren, nämlich die Richtigkeit der An¬ 
nahme, daß zwischen den beiden Mächten Großbritannien und 
Deutschland keine Frage läge, die an sich den Grund zu einem 
Existenzkriege zwischen den beiden Großmächten rechtfertigen könne. 
Eben hier liegt das proton pseudos der gesamten Argumentation: 
ein Kriegsgrund bildet für eine Nation, für ein Volk immer 
eine subjektive Größe. Das ist besonders auf der deutschen Seite 
vergessen worden. Wir erinnern uns der Äußerung einer eng¬ 
lischen Zeitschrift vor mehr als anderthalb Jahrzehnten. Sie warf 
eben in Beziehung auf Deutschland die erstaunte und unwillige 
Frage auf: in früheren Jahrhunderten hätten zwei Völker jahre¬ 
lang um den Besitz einer einzigen Stadt Krieg geführt. And 
heute solle man nicht um einen Lande! Krieg führen, dessen 
Jahreswert nach vielen Milliarden zählte? Wäre dieses Wort 
später, während der Jahre der deutsch-englischen Spannung, im 
Deutschen Reichstage vorgebracht worden, so würde der Sprecher 
von der Regierung mit Entrüstung dahin belehrt worden sein, 
daß man eine einzige Äußerung eines unverantwortlichen englischen 
Publizisten nicht einem hochstehenden und edlen germanischen 
Kulturvolks zur Last legen dürfe. Außerdem sei ja Deutschland 
Großbritanniens bester Kunde, und der britische Lande! würde sich 
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