Volltext: England, der Feind [16]

lande. Bezeichnend genug war es, als vor Jahr und Tag mitten 
in den herzlichsten Freundschaftsversicherungen Deutschland gegen- 
über die britische Regierung in einem, dem Staatssekretär Sir 
Edward Grey besonders nahestehenden Organ eine Reihe von 
Aufsätzen erscheinen ließ: die brennende Frage von Europa sei 
„die Frage von Alsace-Lorraine". Sie zu lösen — also natürlich 
auf Kosten Deutschlands — müsse das Ziel der europäischen Politik 
unter britischer Führung fortan sein. Dann erst könne von einer 
Sicherung des europäischen Friedens mit Recht gesprochen werden. 
Die ganze Doppelzüngigkeit der großbritannischen Politik wird 
durch solche und unzählige andere Äußerungen schlaglichtartig er¬ 
hellt. Zur Beurteilung dieser Politik muß man außerdem in 
Betracht ziehen, daß es nicht nur doppelzüngig, sondern auch in 
sich doppelt war. Sir Edward Grey hatte für seine Politik stets 
zwei Wege offen. Einer, der den Frieden erhalten sollte, der 
andere, der zum Kriege führte. Dem britischen Minister war der 
Friedensweg immer dann recht, wenn es gelang, Deutschland auf 
die eine oder andere Weise den britischen Wünschen gefügig zu 
machen oder indirekt für sie zu benutzen. So war es mit dem 
britischen Entgegenkommen im Orient, dessen Folgen die russische 
Wut gegen Deutschland erregen sollte und erregt haben. Kamen 
solche Erwägungen nicht in Betracht, dann diente das britische 
Entgegenkommen dazu, Deutschland vertrauensselig zu machen und 
vor allem im deutschen Volke eine Stimmung zu erzeugen, welche 
einen konsequenten Ausbau der deutschen Flotte für unnötig hielt. 
Die britische Regierung, die Presse, die kaufmännischen Kor¬ 
porationen usw. haben gerade diese Propaganda mit großer Ge¬ 
schicklichkeit und Ausdauer betrieben. Die deutsche Flotte war 
und blieb ein Stein des Anstoßes, obgleich man gut genug wußte, 
daß die britische eine gewaltige Äbermacht besaß und immer be¬ 
sitzen würde und daß Deutschland an einen Angriffskrieg nicht 
entfernt dachte. Als die großen militärischen Rüstungen der 
europäischen Festlandmächte zustande kamen, da hieß Gro߬ 
britannien besonders die russische Leeresvermehrung gut; sie würde, 
so meinte man in der britischen Presse, Deutschland zu immer 
größeren Anstrengungen zwingen und dadurch wiederum den 
Deutschen unmöglich machen, ihre Flotte, dem gesetzlichen Pro¬ 
gramme gemäß, auszubauen. Immer drehten sich die Gedanken 
um die Flotte. 
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