Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Erster Band. (1,1917)

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Anhang zur Vorgeschichte des Krieges 
(41) Der Zar an Kaiser Wilhelm (Weißbuch, Denkschrift). 
Ich danke Dir von Lerzen für Deine Vermittlung, die eine Loffnung auf. 
leuchten läßt, daß doch noch alles friedlich enden könnte. Es ist technisch unmöglich, 
unsere militärischen Vorkehrungen einzustellen, die durch Österreichs Mobilisierung 
notwendig geworden sind. Wir sind weit davon entfernt, einen Krieg zu wünschen. 
Solange wie die Verhandlungen mit Österreich über Serbien andauern, werden 
meine Truppen keine herausfordernde Aktion unternehmen. Ich gebe Dir mein 
feierliches Wort darauf. Ich vertraue mit aller Kraft auf Gottes Gnade und hoffe 
auf den Erfolg Deiner Vermittlung in Wien für die Wohlfahrt unserer Länder 
und den Frieden Europas. 
Dein Dir herzlich ergebener 
Nikolaus. 
Der Zar begründet in diesem Schreiben die russische Mobilmachung ausdrücklich 
mit der österreichisch-ungarischen, obwohl diese nur Teilmobilmachung und gegen 
Serbien gerichtet war. Der Zar machte sich also den Standpunkt zu eigen, 
daß es sich nicht um einen serbisch-österreichischen, sondern um einen russisch-serbisch, 
österreichischen Streitfall handle. Er ist zwar „weit entfernt, den Krieg zu wünschen", 
besteht aber auf einer diplomatischen Unterwerfung Österreich-Ungarns unter den 
russischen Willen, was mit der Anerkennung der russischen Führung auf dem Balkan 
gleichbedeutend war. Auch hieraus geht hervor, daß es sich nicht um diplomatische 
Floskeln, sondern um sehr tiefgreifende Gegensätze handelte, die durch 
das System der Bündnisse und Freundschaften über ganz Europa verbreitet 
wurden. 
(42) Kaiser Wilhelm an den Zaren (Weißbuch, Denkschrift). 
31. Juli 1914. 
Auf Deinen Appell an meine Freundschaft und Deine Bitte um meine Lilfe 
habe ich eine Vermittlungsaktion zwischen Deiner und der österreichisch-ungarischen 
Regierung aufgenommen. Während diese Aktion im Gange war, sind 
Deine Truppen gegen das mir verbündete Österreich.Angarn 
mobilisiert worden, wodurch, wie ich Dir schon mitgeteilt habe, meine Ver¬ 
mittlung beinahe illusorisch gemacht worden ist. Trotzdem habe ich sie fortgesetzt. 
Nunmehr erhalte ich zuverlässige Nachrichten über ernste Kriegsvorbereitungen 
auch an meiner östlichen Grenze. Die Verantwortung für die Sicherheit meines 
Reiches zwingt mich zu defensiven Gegenmaßregeln. Ich bin mit meinen Be¬ 
mühungen um die Erhaltung des Weltfriedens bis an die äußerste Grenze des 
Möglichen gegangen. Nicht ich trage die Verantwortung für das Anheil, das 
jetzt der ganzen zivilisierten Welt droht. Noch in diesem Augenblick liegt es in 
Deiner Land, es abzuwenden.' Niemand bedroht die Ehre und die Macht Ru߬ 
lands, das wohl auf den Erfolg meiner Vermittlung hätte warten können. Die 
Dir von meinem Großvater auf dem Totenbette überkommene Freundschaft für 
mich und Dein Reich ist mir immer heilig gewesen, und ich habe treu zu Rußland 
gestanden, wenn es in schwerer Bedrängnis war, besonders in seinem letzten Kriege. 
Der Friede Europas kann von Dir noch jetzt erhalten werden, 
wenn Rußland sich entschließt, die militärischen Maßnahmen ein- 
zustellen, die Deutschland und Österreich.Angarn bedrohen.
	        
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