Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Erster Band. (1,1917)

Der Zerfall des europäische» Konzerts 
337 
zu benutzen, um England für die ersten Schritte der deutschen Kolonialpolitik ge> 
fügig zu machen. Als die englische Regierung ihre Unzufriedenheit mit unseren 
Erwerbungen in Afrika zu erkennen gab, deutete Bismarck ohne viel Am¬ 
schweife im Reichstag an, Ägypten sei ein wunder Punkt in der englischen Politik, 
d. h. eine Stelle, wo auf England auch ohne Druck einer Flotte gewirkt werden 
könne.. 
(13) Zm Deutschen Reichstag vom 19. August 1915 stellte der Reichs- 
kanzler die deutsch-englischen Verhandlungen folgendermaßen dar: 
„... Zunächst machten wir, um dauernde Beziehungen zu England zu erreichen, 
den Vorschlag eines unbedingten gegenseitigen Neutralitäts- 
Versprechens. Als dieser Vorschlag als zu weitgehend von England abgelehnt 
wurde, schlugen wir vor, di« Neuttalität auf Kriege zu beschränken, bei denen man 
nicht sagen könne, daß die Macht, der Neuttalität zugesichert worden war, der 
Angreifer sei. Auch das schlug England ab. Inzwischen hatte England 
seinerseits folgende Formel vorgeschlagen: England wird keinen unprovozierten 
Angriff auf Deutschland machen und sich einer aggressiven Politik gegen Deutsch- 
land enchalten. Ein Angriff auf Deutschland ist in keinem Verttag enthalten und 
in keiner Kombination vorgesehen, der England zurzeit angehört, und England 
wird keiner Abmachung beitteten, die einen solchen Angriff bezweckt." Ich meinte, 
daß es unter zivilisierten Staaten überhaupt nicht möglich sei, unprovo- 
zierte Angriffe auf andere Mächte zu machen oder sich Kombinationen anzu- 
schließen, die so etwas planen, und daß deshalb das Versprechen, sich solcher Äber- 
fälle zu enthalten, nicht wohl den Inhalt eines feierlichen Vertrages abgeben 
könne. Das englische Kabinett war anderer Ansicht und glaubte auf unsere Vor¬ 
stellung ein übriges zu tun, wenn es seine Bereitwilligkeit erklärte, seiner im übrigen 
unveränderten Formel folgende Worte voranzuschicken: „Da die beiden Mächte 
gegenseitig den Wunsch haben, Frieden und Freundschaft untereinander sicherzu- 
stellen, erklärt England, daß es keinen unprovozierten Angriff usw.", wie ich es 
vorher mitgeteilt habe. Dieser Zusatz konnte an dem Arteil über den Inhalt des 
englischen Angebots nichts ändern, und ich meine noch heute, kein Mensch hätte es 
mir übelnehmen können, wenn ich schon damals die Verhandlungen abgebrochen 
hätte. Ich habe das nicht getan. Ich habe, um alles, was in meinen Kräften stand, 
zu tun, um den europäischen und den Weltfrieden zu sichern, mich bereit erklärt, 
auch diesen englischen Vorschlag zu diskutieren, mit der einen Bedingung, es 
möge der englische Vorschlag durch folgenden Zusatz ergänzt werden: „England 
wird daher selbstverständlich wohlwollende Neuttalität bewahren, sollte Deutsch, 
land ein Krieg aufgezwungen werden." Ich bitte Sie, die letzten Worte zu beachten: 
falls uns ein Krieg aufgezwungen werden sollte. Ich habe nachher noch auf diesen 
Punkt zurückzukommen. Sir Edward Grey lehnte diesen Zusatz rundweg ab. 
Äber seine Formel könne er nicht hinausgehen, und zwar, wie er unserem Botschafter 
Metternich erklärte, aus Besorgnis, sonst die bestehende Freundschaft mit 
anderen Mächten zu gefährden. Das bildete für uns den Schluß der Ver- 
Handlungen." 
(14) Die Versammlung der französischen Seestteitttäste im Mittelmeer 
ist vermutlich auf englische Anregung erfolgt. Sicher ist, daß England von dieser 
Maßregel größeren Nutzen zog als Frantteich und zunächst dadurch in seiner 
Stegemanns Geschichte des Krieges. I. 22
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.