Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Erster Band. (1,1917)

260 Der Feldzug in Ostpreußen bis zum 15. September 1914 
Betrachtungen zur Schlacht an den masurischen Seen 
Generaloberst v. Lindenburg ist zur Annahme der Schlacht an den 
masurischen Seen befähigt worden, als er die neuen Verstärkungen erhalten 
hatte. Ohne das XI. Korps, das Gardereservekorps und die 8. Kavallerie- 
división wäre er nach der Schlacht bei Tannenberg nicht in der Lage ge¬ 
wesen, den Angriffsfeldzug fortzusetzen. Das ist festzuhalten. Diese Korps 
haben an der Marne gefehlt, aber in Ostpreußen den Ausschlag gegeben 
und die Handlungsfreiheit Äindenburgs sichergestellt. 
Die Schlacht an den großen masurischen Seen hat nicht mit dem absoluten 
Ergebnis der Schlacht von Tannenberg abgeschlossen. Die Masse der Armee 
Rennenkampf entzog sich dem Verderben, das nur ihren linken Flügel ereilte. 
General Rennenkamps hatte kluger- und richtigerweise auf eine Wieder- 
Herstellung der ungünstig eingeleiteten Schlacht verzichtet, als er seine linke 
Flanke umfaßt und umgangen sah, und sofort den Rückzug angetreten, 
um nicht mit verwandter Front und tiefen Flanken schlagen zu müssen und 
nach Norden gedrängt und vernichtet zu werden, Ist es richtig, daß er sich 
der ungünstigen Lage seines linken Flügels erst am 10. September bewußt 
geworden ist, wie amtliche russische Meldungen wissen wollen, so war aller¬ 
dings der Augenblick zur Wiederherstellung der Schlacht ohnehin versäumt. 
In diesem Falle hätte also General Rennenkampf gar nicht mehr erwägen 
können, ob er das von Karl von Lothringen bei Leuthen gegebene falsche 
Beispiel befolgen und nach dem linken Flügel abschwenken oder die Schlacht 
verloren geben sollte. 
Wie dem auch sein mag, in jedem Falle hat sich der General, der im 
mandschurischen Feldzug und im Boxeraufstand einen Ruf als Draufgänger 
und kühner Reiterführer erworben hatte, als Armeeführer nicht durch tat¬ 
kräftiges Landein und strategischen Scharfblick ausgezeichnet. Langsam 
und schwerfällig, wie der Russe von altersher zu operieren pflegt, hatte er 
seine Armee gegen Königsberg in Bewegung gesetzt, sich begnügt, die 
Walstatt zu behaupten, als das kleine Preußenheer bei Gumbinnen den 
Kampf abbrach, und war an Alle und Deime stehengeblieben, während sich 
zwischen Tannenberg und Ortelsburg das Schicksal der Armee Samsonow 
erfüllte, das ihm zugleich sein eigenes verkündete. Erst als er von 
seinem großen Gegner überraschend angegriffen wurde und sich in eine un¬ 
günstige strategische Lage gebracht sah, fand er die Kraft zu einem Ent¬ 
schluß. Dieser verdichtete sich der Sachlage entsprechend zu einem all¬ 
gemeinen Rückzugsbefehl. 
Statt eine schmale neue Front nach Süden zu bilden, wo sein um¬ 
gangener Flügel schon am 10. September bei Darkehmen, eingekreist vom 
I., XVII. und XX. Korps, vollends zerschlagen und am 11. September 
zwischen Rojahwalde, Gawaiten, Zzabienen und Beynuhnen vernichtet
	        
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