Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Erster Band. (1,1917)

226 Der Feldzug in Ostpreußen bis zum 15. September 1914 
so viel geschehen, daß Kriegs minister Suchomlinow in den „Birschjewyja 
Wjedomosti" mit Fug und Recht behaupten konnte, es sei alles getan 
worden, um dem Gegner zuvorzukommen und die Armee gleich in den ersten 
Tagen des Krieges möglichst schnell zu versammeln. 
Aber mitten in die Lauptgruppe dieser in der Versammlung begriffenen 
Massen warf sich mit kühnem Schwung das österreichisch-ungarische Leer. 
Naschen Entschlusses und noch rascheren Mutes stieß es in den befestigten 
Ausstellungsraum hinein, der zwischen Weichsel und Bug angelegt war und 
den Armeen zum Aufmarsch diente, wogegen sein Vormarsch gegen Serbien 
nur stockend vor sich gegangen war. 
Während Osterreich-Üngarns Armeen zwischen der Weichsel und dem 
oberen Bug mit der gewaltigen Übermacht der russischen Lauptheere in 
erschöpfende Kämpfe verstrickt wurden, zogen sich an der Nordfront der 
polnischen Zentralstellung zwei große russische Armeen zusammen, die gegen 
Preußen Front machten. Die eine war zum Einfall in Ostpreußen bereit¬ 
gestellt, die andere diente wohl zunächst eher zur Besetzung der Weichselftont 
und als Generalreserve erster Linie, um je nach dem Gang der Entwicklung 
verwendet zu werden. Rief er nach Süden, so konnte diese Armee die 
Österreicher über Iwangorod in der Flanke fassen. Rief er nach Norden, 
so öffnete sich dieser bei Warschau versammelten Armee der Weg zur preußi¬ 
schen Weichsel. Das Gesetz des Landelns ist indes weder nach dieser, noch 
nach jener Seite von den Russen vorgeschrieben worden. Sie empfingen den 
Marschbefehl von Paris, und zwar in Gestalt einer dringenden Bitte um 
schleunige Entlastung, die schon am 15. August notwendig geworden war. 
Die stürmische Vorbewegung der Deutschen im Westen, welche die 
belgisch-englisch-ftanzösische Leeresmacht über den Laufen zu rennen drohte, 
forderte als Ablenkung einen „Marsch auf Berlin". Daraufhin eilte der 
Großfürst selbst zur Nordftont, um die beiden dort verfügbaren Armeen 
vorzuführen. Daraus ergab sich ein von zwei Seiten unternommener An¬ 
griff auf die Provinz Ostpreußen und die dort stehenden deutschen Truppen. 
Die schon von Anfang an als Angriffsarmee bestimmte russische 1. Armee 
war zwischen Wilna und Grodno versammelt. Sie bestand aus dem II., 
III., IV.. XX. und XXII. Linien-, dem III. sibirischen Korps, der 1. und 
5. Schützenbrigade, 6 Reservedivisionen und einem Gardekavalleriekorps. 
Lieraus wurden zwei Gruppen gebildet, eine Lauptmacht, die über Wilna— 
Kowno vorrückte, und eine Flankengruppe, die über Grodno—Ossowiez in 
Bewegung gesetzt wurde. Der Gewalthaufe dieser aus den besten Truppen 
bestehenden Streitmacht war bestimmt, rittlings der Eisenbahnlinie Kowno— 
Eydtkuhnen in Ostpreußen einzudringen, in breiter Front die Linie Tilsit— 
Insterburg—Angerburg zu gewinnen und vor Königsberg zu rücken. Die 
von Grodno vorgehende Flankengruppe, die zwei Korps und einige Schützen¬ 
brigaden umfaßte, sollte sich von Südosten heranschieben und zugleich die
	        
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