Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Erster Band. (1,1917)

XVI 
Vorwort 
der ersten Monate übersichtlich und anschaulich darzustellen, und scheuen 
daher vor einer gewissen Stilisierung der eingezeichneten Linien nicht zurück. 
Der europäische Krieg wird in viel höherem Maße „einen Wust 
von Trümmern" zurücklassen als der Siebenjährige Krieg, dem kein 
anderer als Friedrich der Große diese Kennzeichnung ausgestellt hat. Der 
militärische Geschichtschreiber aber darf seine Aufgabe nicht darin suchen, 
nur die Schauder des Krieges zu malen; wenn ich daher das furchtbare 
Phänomen von der gestaltenden Seite packte, so erklärt sich das aus der 
Großartigkeit der weltgeschichtlichen Erscheinung, die der europäische Krieg 
auch dann bleibt, wenn man ihn als eine ungeheure Katastrophe betrachtet. 
Die Frage nach seiner Dauer ist mir schon sehr oft vorgelegt worden, 
und ich glaube an dieser Stelle nicht an ihr vorbeigehen zu dürfen. Am 
15. September 1914, dem Tage, mit dem der vorliegende Band schließt, 
war klar geworden, daß sich die Dauer einer so weitgreifenden, stets neue 
strategische und politische Probleme gebärenden Auseinandersetzung nicht 
befristen läßt. Es gibt hierfür keinen klassischeren Zeugen als den größten 
Strategen der nachnapoleonischen Zeit. Am 14. Mai 1890 sprach General- 
feldmarfchall v. M oltk e im Deutschen Reichstag die prophetischen Worte: 
„Wenn der Krieg, der jetzt schon mehr als zehn Jahre lang wie ein 
Damoklesschwert über unseren Läuptern schwebt — wenn dieser Krieg zum 
Ausbruch kommt, so ist seine Dauer und sein Ende nicht abzusehen. Es 
sind die größten Mächte Europas, welche, gerüstet wie nie zuvor, gegen¬ 
einander in den Kampf treten; keine derselben kann in einem oder in 
zwei Feldzügen so vollständig niedergeworfen werden, daß sie sich 
für überwunden erklärte, daß sie auf harte Bedingungen hin Frieden 
schließen müßte, daß sie sich nicht wieder aufrichten sollte, wenn auch erst 
nach Jahresfrist, um den Kampf zu erneuern. Es kann ein sieben¬ 
jähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden — und wehe dem, der 
Europa in Brand steckt, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!" *) 
Wir leben der Hoffnung, daß Moltke, der die Organisation der modernen 
Großstaaten und die Auswirkungsmöglichkeiten einzelner Feldzüge so scharf 
erfaßt hat, die Dauer des großen Krieges, verglichen mit den von ihm 
gewählten geschichtlichen Beispielen, zu weit erstreckt hat und daß dieser 
längst für den Frieden reife Krieg doch noch in diesem Jahre enden möge. 
Mehr zu sagen, wäre vermessen. 
Bern, 9. Januar 1917. 
Hermann Stegemann 
*) Vergl. „Gesammelte Schriften und Denkwürdigkeiten des GFM. Grafen 
Äelmuth v. Moltke". 7. Band, S. 139. (Mittler & Sohn, Berlin.)
	        
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