Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

meinde erwählt worden war, verwundeten ihn mit 
Säbelhieben und schössen loderndes Feuer in sein 
Herz. Und in gleicher grausamer Wut erschossen diese 
Schützen seinen Schwager R. Zebi, Sohn des As¬ 
sarja, und R. Arje, Sohn des Meir, R. Joel, Sohn des 
R. josua, R. Jehuda, Sohn des R. Israel, R. Benjamin, 
Sohn des R. Jakob, schlugen sie mit Axt und Beil, 
feuerten mit dem Brandrohre eine Bleikugel in den 
Mund und töteten so mit dieser außergewöhnlichen 
Todesart die Häupter und Besten unserer Gemeinde. 
Auf R. Meier, Sohn des Assarja, schössen und sta¬ 
chen sie solange ein, bis er auf der Straße nieder¬ 
stürzte und seine Seele dem Schöpfer zurückgab, der 
sie ihm gegeben hatte. Ebenso verfuhren sie auch mit 
seinem Schwager R. Israel, Sohn des R. Abraham. 
Sie hieben mit dem Schwerte auf ihn ein, er aber 
entfloh aufs Feld, das Blut entströmte ihm, bis er 
dahinsank und starb. Wie den Tieren des Feldes 
jagten sie uns nach, sodaß wir nicht auf der Straße 
zu gehen wagten. Fürwahr, es erstarren die Haare 
auf unserem Leibe, wenn wir uns an den rabbini- 
schen Gelehrten, R. Salomon, Sohn des R. Elieser, 
erinnern, einen Greis satt an Jahren, denn auch das 
Antlitz des Greises schonten sie nicht. Mit einer Axt 
schlugen sie auf die Stirn und den Scheitel dieses 
frommen Mannes, zwei Tage lag er auf der Straße, 
bis er seine Seele aushauchte mit dem Bekenntnis 
der Einheit Gottes. Wehe, daß sie an uns den Vers 
erfüllten: „Auch der Knaben, Jünglinge und Jung- 
frauen werden sie sich nicht erbarmen.44 Denn sie 
schössen ins Herz und ,erschlugen ohne Erbarmen 
den Jüngling Nathan, Sohn des R. Jididja, die drei 
Frauen Hendel, Giti und Schifra, durchbohrten sie 
mit Schwertern und hieben ihnen die Köpfe ab. Heil 
ihnen, daß sie bald gestorben sind, die frommen 
Frauen unseres Volkes. Auch die zwei Bräute, Jittl 
und Muskat und die Jungfrau Sarah erschossen die 
Unholde und schnitten ihnen die Brüste ab. Und alle 
zusammen stimmten das „Schema-Jisrael1*4 an und 
endeten ihr Leben mit dem Bekenntnis des Ewigen, 
unseres Gottes. Wer kanns hören, ohne im Inneren 
zu erbeben, daß nach all diesem die Erschlagenen 
neun Tage lang liegen bleiben mußten, bis sie zu 
Grabe gebracht wurden in den Staub des Ortes 
unserer heiligen Erde. Außerdem wurden geschlagen 
und verwundet die übrigen Leute unserer Gemeinde 
vom Jüngling an bis zum Greise, Kinder, Frauen 
an einem Tage, als sie flohen, um sich irgendwo 
auf dem Felde zu verbergen. Ihr Blut rann auf den 
fahlen Stein, ohne verdeckt zu werden und der Schnee 
ist scharlachrot geworden von dem Blute dieser 
unserer Brüder, unseres Fleisches. Darnach drangen 
die Räuber und die übrige Schar der Bösewichter in 
die jüdischen Häuser der Ermordeten und der vor 
Schmerz Stöhnenden unseres Volkes ein. Sie plün¬ 
derten ihre ganze Habe und ließen nicht den gering¬ 
sten Rest übrig. Neun Tage lang plünderten und 
raubten sie, zerschlugen die Öfen und die Fenster 
und riefen: Verflucht sei alles bis in den Grund hinein. 
Verzeichnis der Opfer vom 9. Dezember 1744. 
1. Jonas Nathan (Rabbi J o n a), Rb. der Ge¬ 
meinde, 50 Jahre alt, verheiratet, erhielt einen Lun¬ 
genschuß, der neben der rechten Brustwarze ein¬ 
drang. Über seinen Tod wird erzählt, daß ein Husar 
ihn gefangen genommen und ihm gegen einen Duka¬ 
ten Lösegeld die Freilassung angeboten habe. Der 
Rabbiner, der eben nicht so viel bei sich hatte, habe 
sich von einem bekannten christlichen Kaufmanne 
die geforderte Summe ausleihen wollen, aber dieser 
habe den Husaren noch gegen ihn aufgehetzt, so daß 
derselbe ihn sofort niederschoß. 
2. Chaim Dub (Chaim Sohn des Josua), Richter 
der Leipaer Judengemeinde, 52 Jahre alt, verheira¬ 
tet, erhielt einen Schuß in den rechten Schenkel und 
einen tödlichen Säbelhieb in die Schläfengegend. 
Chaim stammte aus Auscha. Er betrieb einen ausge¬ 
dehnten Wolle- und Mesulanhandel und war anschei- 
und der wohlhabendste und angesehenste Mann sei¬ 
ner Gemeinde. Seine Ehefrau hieß Liebele, seine 
Söhne Abraham und Isak, seine Tochter Adel. 
3. Simon Bunzel (Simon Sohn des Jakob Jo¬ 
seph), 60 Jahre alt, Witwer. Er starb an einer beim 
Flüchten von hinten empfangenen tiefen Hiebwunde 
in die rechte Halsseite, bei welcher die Halsschlag¬ 
ader durchgeschlagen wurde. Simon stammte aus 
Jungbunzlau. Mit seinem damals schon verstorbenen 
Weibe Sari hatte er drei Söhne: Süßkind, Lewi und 
Jakob und drei Töchter Liebele, Eidel und Gütel. Mit 
seinem Eidam Jakob Apotheker, dem Manne der Lie¬ 
bele, der auch in seinem Hause wohnte, betrieb er 
einen bedeutenden Leinwandhandel. 
4. Abraham Ausch (Abraham Lewi), 40 Jahre 
alt, verheiratet. Er war ein Krüppel und Bettler. Sein 
Tod trat infolge eines linksseitigen Lungenschusses ein. 
5. Markus Süßmann (Meier Sohn des Assarja), 
35 Jahre alt, verheiratet. Sein Tod erfolgte infolge 
eines Schusses in die Leber. Er soll erst viele Tage 
später am Niederliebicher Wege halb verwest aufge¬ 
funden worden sein. Nach seinem Vater, der schon 
vor 1724 gestorben war, betrieb er mit seiner Mutter 
Pruche die Schneiderei. 
6. Aron Markus (Arje Kohn), 25 Jahre alt, ver¬ 
heiratet. Seinen Tod führte ein Lungenschuß herbei. 
Die Kugel drang unter der rechten Achsel in die 
Brust. Aron ist allerdings nicht mit Arje gleichbedeu¬ 
tend und dürfte wohl durch einen Hör- oder Schreib¬ 
fehler in das amtliche Verzeichnis gelangt sein. Arje 
war aller Wahrscheinlichkeit nach ein Sohn des 
unter 14. angeführten Markus Kohn. 
7. Moyses Hammerschlag (Mosche — David), 
38 Jahre alt, verheiratet. Er erhielt einen Schuß in 
den Magen. Moyses war der Sohn des Krämers Da¬ 
vid Hammerschlag aus Raudnitz und seiner Gattin 
Hanele. In der „Wortgetreuen Abschrift44 ist er mit 
dem Namen David anstatt Sohn des David genannt. 
Er war kurz vor der Katastrophe zum neuen Richter 
(Vorsteher) der Gemeinde gewählt worden. 
8. Wolf G u m p e r t (Benjamin Sohn des Efraim), 
50 Jahre alt, verheiratet. Durch einen in den Nacken 
geführten Palaschhieb wurde ihm der Kopf fast vom 
Rumpfe getrennt. Er war ein Krämer und besaß mit 
seiner Ehefrau Händel eine Tochter Mündel. 
9. Israel Altschul (Israel Sohn des Abraham), 
37 Jahre alt, verheiratet seit 10. Feber 1738 mit Ha- 
miam. Er erlitt schwere Verwundungen am Kopfe 
durch Kolbenschläge, konnte noch flüchten und 
wurde später auf einem Acker tot gefunden. 
10. Abraham M e n d 1 (Abraham Sohn des Mena- 
chem), 57 Jahre alt, verheiratet, Mesulanhändler. Seinen 
Tod führte ein Brustschuß herbei. Die Kugel drang 
durch die rechte Schulter ein und fand ihren Ausgang 
unter dem linken Schulterblatt. 
11. Löbl Israel (Jehuda Sohn des Israel), 37 
Jahre alt, verheiratet. Sein Tod erfolgte durch einen 
Brustschuß, dessen Kugel durch den linken Arm ein¬ 
drang. 
12. Joel Valentin (Joel Sohn des Jo,sua), 
68 Jahre alt, verheiratet. Sein Leben endete ein 
Herzschuß. Er scheint identisch zu sein mit dem 1724 
genannten Federhändler Jakob Valentin aus Stëpa- 
nov, der seit 1721 in Leipa seßhaft war, 
Ceskrí Lipa 4 
54 
Böhm. Leipa 4
	        
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