Die „Jtideiigemeinde Ckjn" und ihre Äste.
Nach der Chronik der heutigen K. G. W. bestand
um 1800 schon ihre Vorgängerin als Gemeinde
Ckjn und hatte hier anstelle der heutigen Spiritus¬
brennerei eine Synagoge, die ihr der damalige
Grundherr Graf Franz Sickingen später enteignete;
eine Verwahrung des Vorstandes Josef K o h n dage¬
gen in persönlicher Audienz beim Kaiser hatte jedoch
den Erfolg, daß der Grundherr verpflichtet wurde,
eine neue Synagoge in gleicher Größe zu errichten.
Diese wurde im August 1828 der J. G. als Eigentum
übergeben. Vertragszeichner waren: der Gutsherr und
dessen Amtsverwalter Wenzel Stepnitzka, Josef Hor¬
ner (Bevollmächtigter), Markus Fantes, Isak
Zucker, Israel Haldek4), Matias K o h n, Matias
Stein und K. V. Josef K o h n. Die „C k j n e r J u-
d e n g e m e i n d e44 (worunter wohl nicht der Ort
Ckjn, sondern der ganze Amtsbereich zu verstehen
sein dürfte) zählte damals „an 60 Familienhäupter44.
Als erste Rh. werden erwähnt: Zeckendorf,
F reun d u. Back (später Herausgeber der „Israelit.
Zeitschrift44 in Budapest); nähere Angaben fehlen.
Außer Genannten erscheinen noch ab 1800 die Na¬
men: Math. Bloch (nach dem Gräberverzeichnis
auch Rb. Mendl Bloch), Pick Moses, Isak Gans,
Elias W e d e 1 e s, Wolf, Beck, Popper, Sin¬
ger, Fanti, Weil, Haschl (Toraschreiber, 1810),
S c h a m s c h o n (ab 1812 in 3 Gliedern), Lede¬
rer, Hahn, ein Blum (1821). —
Um diese Zeit hatte sich C e s t i t z (an der Straße
Ckjn—Wolin) als 5. jüdische Siedlung angeschlossen
u. zw. 1818 durch einen Nachkommen der A r n-
steine r.
1823 finden wir als 6. Siedlung Wolenitz durch
Mejer L o w i t (Nachkomme des schon erwähnten
Abraham). Übrigens scheint mit ihnen Wolenitz
als jüd. Siedlung wieder ausgestorben oder aufgelas¬
sen; möglich ist bei den mangelhaften Ortsangaben
auch, daß diese Siedlung schon viel älter war.
Die 7. Niederlassung ist Pereschin (bzw. Pre-
ein), mit Sicherheit festzustellen 1835 durch einen
Moses, der aber möglicherweise dort bereits 1740
einen Ahnen hatte; anderseits dürften Moses Klein,
1859 dort gestorben, und ein gleichzeitiger Joseph K.
in Zdikau Nachkommen sein. (Diese Orte liegen
sämtlich im tschechischen Gebiete der K. G.)
Laut einer Volks- u. Viehzählung der k. k. patrio¬
tisch-ökonomischen Gesellschaft im J. 1837 zählte
Winter b erg bereits 243 Häuser mit 2121 Ein¬
wohnern, „mit Ausnahme von 3 Juden" deutsch¬
katholisch. Dieses überraschende Wachstum wäre —
wenn nicht durch Rechenfehler — wohl nur durch
die mächtig aufstrebende, erwähnte Glasfabrik
„Adolf44 zu erklären, die schon damals 176 Leute
beschäftigte und nach dem Gemeinde-Gedenkbuche
die Erwerbs- u. Bautätigkeit günstig beeinflußte.
Erwähnte Juden waren vermutlich Glieder der V o-
c á s e k, vielleicht auch der Haldek (s. um 1800
u. 1828 Ckjn) und ein Paul Fleisch mann, der
im Grundbuch (Fol. 34/1836) erscheint.
Wohl in oder um Ckjn erschienen mittlerweile
die neuen Namen Spiro, 1832 je ein B osi e,
Harsch u. Garber-Patsehl, ab 1835 die Fa¬
milie Löwy (mit 4 Verstorb.) und 1841 ein Gro¬
ger; ferner H o 1 u b, Kraus u. W u d 1 ; schlie߬
lich die Niederlassungen: Drtschinka (Drsinka),
wo 1841 Jakob Fanti starb; sowie Bohumilitz
(zwischen Ckjn u. W.), wo gleichzeitig die Gattin
eines Josef Weil starb. Das mächtige Anwachsen
der J. G., die nun schon 9—10 Orte umfaßte, zeigt
auch die erreichte jährliche Durchschnittsziffer von
2 Sterbefällen im Vergleich zu Anfang.
1848 brachte die Befreiung von fürstl. Abhängig¬
keit und Leistungen, Freizügigkeit usw.; von da an
dürfte die Zahl der Juden noch rascher gestiegen sein,
denn heute noch heißt z. B. in W. im Volksmunde
der Waldekplatz das „Judenplatzel" (mit Bezug auf
mehrere dort sich niederlassende jüdische Geschäfts¬
leute). ü)
1852 macht das Gräberverzeichnis durch eine Frau
Ber Fischi aus Boschitz, 1853 durch K o z i-
s e k aus Nezdasov und 1854 einen K i 1 n e r auf
weiteren Zuwachs in zweifacher Beziehung auf¬
merksam.
1859 weist das Geburtsbuch einen Hirsch T o c h,
bzw. dessen Sohn Simon T. in Klein-Zdikau
aus (der später in W. sich als Kaufmann niederließ) ;
um diese Zeit kamen noch hieher: 1860 Adolf (recte
Adam) W e d e 1 e s, s. oben unter „Judenplatzel44; —
aus Kaltenbach der Handelsmann Seligmann K o h n
als 3. Vertreter des schon in Ckjn begegneten Namens.
Durch ihn war also auch Kaltenbach (zwischen
W. und Außergefild) vorübergehend jüd. Siedlung.
Günstigerer Boden war jedenfalls W. schon durch
immer mehr sich entfaltendes gewerbliches u. indu¬
strielles Leben; zu einer buchstäblichen Weltfirma
blühte ja z. B. erstaunlich rasch die um diese Zeit
gegründete Buchbinderei und (kathol.) Verlagsanstalt
J. Steinbrener auf, die auf der Höhe vor 1914 rund
1000 Arbeiter beschäftigte.
Ähnliches Schicksal wie Kaltenbach hatte dagegen
wohl die nächsterscheinende jüd. Siedlung S c h a t-
t a w a (zwischen W. u. Wallern) trotz der nahen,
zweiten Glasfabrik „Eleonorenhain44; denn wir finden
dort 1862 nur den Namen Hermann Z d e k a u e r,
also ein von Zdikau ausgegangener Familienast, wie
der 1864/65 sich in W. niederlassende Nathan Ignaz
Zdekauer.
1865 ist mehrfach bemerkenswert: durch die für
das Anwachsen der K. G. in den seit 1688 verflosse¬
nen 177 Jahren (wo zwischen den ersten Sterbefällen
12 Jahre lagen) bezeichnende Jahres-Höchstziffer von
19 Sterbefällen, bzw. Durchschnittszahl von jährlich
über 4; das bedeutet mit andern Worten etwa 48fache
Kopfzahl. — Im selben Jahre finden wir in Mute¬
nitz einen Zweig der schon in Ckjn begegneten Fa¬
milie Fantes. — Im nächsten, dem Kriegsjahre
1866, enthüllt das Gräberverzeichnis neue Interessen-
kreise: In H o s t i t z (auch H u s c h i t z, 7 km osti.
W., schon 1479 als Markt- u. Kirchort der Herrschaft
erwähnt) ein Glied der in Boschitz aufgetauchten Fa¬
milie Fischi, in Zdikau erscheint der Name
B r o z a m (abgeleitet wahrscheinlich vom deutschen
Worte „Brosamen44). Zu erwähnen sind hier noch ein
Hasterlik (1862), ein Katz u. Ehrlich
(1866), Sehn ab 1 (1868) u. ein Stern (1869).
1872 vermehrt sich die Judenschaft von W. um
Alois Fantes, laut Gräberverzeichnis auch um eine
Familie Hahn; 1874 ist Bürgermeister u. Apotheker
Dr. Albert Popper Mitgründer der Knaben-Bür¬
gerschule. Borkenkäferfraß zog abermals 3000 Ar¬
beiter in die Umgebung.
In dieser Zeit (1872) erscheint denn auch Ober-
plan (Marktflecken und eig. Gerichtsbezirk an der
Südostgrenze der K. G.) durch einen Todesfall in der
Familie Jochim W e d e 1 e s, welchem Stamme wir
nun schon viermal begegnen, in welch letzterem Falle
wie bei Ogfolderhaid es sich aber vielleicht nur um
Überführungen in die Heimat handelte.
Im selben Jahre Böhmisch-Röhren (nahe
der bayrischen Grenze, Gerichtsbez. Wallern) als
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