Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Geschichte der Juden in Böhm. Leipa. 
Bearbeitet von 
Rb. Prof. Dr. B. Wolff, B, Leipa. 
öoweit sich feststellen läßt, reicht die erste Nach¬ 
richt über eine jüdische Siedlung in B. Leipa (c. Geská 
Lipa) in die Mitte des 16. Jhts. zurück. Nach Bondy- 
Dworsky I, S. 463, Urk. Nr. 650, sandte am 19. Mai 
1562 der Rat der kgl. Stadt Leitmeritz dem Rate der 
Stadt B. L. ein von irgendeinem Juden an einen Ju¬ 
den in B. L. gerichtetes hehr. Schreiben mit der 
Bitte, den Inhalt zu prüfen und dem Adressaten aus¬ 
zufolgen. — Einige Jahre später (1570) ist aber schon 
eine kleine Judengemeinde mit 14 Vi steuerpflichtigen 
Köpfen nachweisbar. (B. D. I, S. 518, Nr. 728.) Wei¬ 
tere Nachrichten über die Existenz der Juden in B. L. 
finden wir in einem auf Befehl des Johann von War¬ 
tenberg auf Neuschloß und Bösig angelegten Urbar 
v. J. 1579. (Arch. d. Min. d. Innern.) Es werden darin, 
in der dem Herrn von Warteriberg zu drei Vierteilen 
gehörigen Stadt B. L. die jüdischen Hauswirte 
Wlayr, Salomon und Elias und die Inleute 
J o ku f (Jakob), Israel, Lazarus und I s a k ge¬ 
nannt, welche zu Georgi und zu Galli je 48 Groschen 
böhm. zu zinsen hatten. Eigene Häuser besaßen die 
Juden zu dieser Zeit nicht. Die Erwerbung und der 
Bau eigener Häuser wurde den Juden in B. L. erst ei¬ 
nige Jahre später gesitattet. Als erster jüdischer Haus¬ 
besitzer in B. L. (1586) ist Simon, der Sohn des früher 
genannten Jokuf, feststellbar. Bis zum J. 1628 gab es 
11 in jüdischen Besitz übergangene Häuser. Für Syna¬ 
gogenzwecke diente um das Ende des 16. Jhts. das 
Haus des Juden Abraham. Über den Tempel, die Ju¬ 
denschule und den Friedhof findet sich aus dem J. 
1699 nachstehender Bericht: 
„1. Als die Juden primitus in die Stadt Leippa ein¬ 
geschlichen sein, haben sie bei denen Burgern ihre 
Wohnungen genohmen undt geinieth, wie dann in et- 
welchen H äussern heunt zu Tag eingeschnittene jüdi¬ 
sche Worte zu sehen seindt; denen Endtlichen auch 
eine stelle Zur begräbtnuss von Ein Rath vergünsti¬ 
get, und eingeraumbet worden ist, nachgehents auch 
baldt dies baldt jenes Hauss von der Vorstadt Käuffl. 
an Sich gebracht, und weilen die Hausser Bürgerlich, 
mit den Stadtbüchern verschreiben lassen; sie gaben 
der Stadt nomine des Schutzgeldes nach aussage der 
alten Burgern, wie sie es von ihren gross Eltern ofte 
gehört, jährl. 24 Thl. 
2. Die Juden hatten allhier sein Lebtag Keine ge¬ 
wisse Schule, vielweniger eine von stein gebaute Sy- 
nagog, sondern hilten ihre Zusamen Künften Baldt da 
baldt dorth alss nembi eine Zeitlang auff des Chri¬ 
stoph Proches Schittboden nabs den Juden mändel 
daruve sein lebendige Zeugen deme es glitt gedenkt. 
Herr Balthesar Elbel undt Melchior Lindtner. 
Nach diessen alss Sie sich sehr gemehret und ge¬ 
dachter Schittbodden ihnen zu klein geschienen, alss 
haben Sie eine des Valtin Proches Leippischen Bur¬ 
gers Scheuer gemüth undt darinne ihre geschrey ver¬ 
übet, Ungefehr in Ao. 1657 ider 58 alss nembi, etwann 
ein pahr Jahr vor dem mit der gdigen Obrigkeit in 
Ao. 1660. getroffene Vergleich ist ein Hauss bei des 
Goldtberger gartte und Hauss von Holtz wie andere 
H aussei auff einer wüsten Baustelle gebauet worden; 
in welchen Hausse! Sie anitzo wohnen, zugelcih ihre 
Zeremonie halten. Auf dieser Stelle, ivo diesses gebauet 
worden ist, hat Herr Tobias Gürtler ofte gekegelt 
undt gespiehlt auch in den damahls gewesten wüsten 
Keller viel steine hinein geworffen, welches auch sei¬ 
ne Camerathe gathant; in diesse 'Keller haben Sie eine 
tauche (das Frauen-Bad) gehabt und bediene Sich der¬ 
selben auff den heutigen Tag. 
Der Judt Meyer ist mit erwehnten Tobias Gürtler 
zugleich aufgewachsen, kan also eben diesses undt 
nicht mehreres diessfalls aussagen. 
3. Weilen nun nachgehents in dem mit der g dig. 
Obrigkeit und der gemeindt getroffenen T^andtaf. 
transactionem wegen der Juden Hausser so viel ver¬ 
glichen worden, damit sie nicht mehr dann 11 Haus¬ 
ser innen haben, und Selbte auff keine erdenkliche 
weiss erweithern, viel weniger ein neues bauen kön¬ 
nen sollen. Bei welcher transaction die gemeine Stadt 
zu Folge der Kays, undt Königl. Allergdigsten Ver¬ 
ordnung gdig. geschitzt und gchandthabet zu werden 
verlanget, mit gehorsamster bitte: weilen die Juden 
bei der Stadt bisshero keine von Stein erbaute Syna- 
gog, sondern nur ein von Holtz erbautes H aussei ge¬ 
habt, vielweniger auf der stelle, wo Sie die fundamen¬ 
ta gelegt eine gestanden hat: die arme gemeinde bei 
dero königl. Stadthalterey Eingereichten petito gdig. 
zu erhalten. 
Die arme Gemeinde! 
Später wurde auf das in diesem Berichte angeführte 
Haus ein Stockwerk aufgebaut. Dieses Stockwerk 
wurde dann weiterhin und noch im J. 1744 als J u - 
d e n s c h u 1 e benützt. Im Erdgeschoß wohnte der 
Rb. und der Gemeindebote. Im Keller des Hauses be¬ 
fand sich das jüdische Bad. Im J. 1699 hatten zwar 
die Leipaer Juden vom Bischof in Leitmeritz und der 
Herrschaft die Bewilligung zum Bau einer eigenen Sy¬ 
nagoge erhalten, doch unterblieb der Bau damals und 
kam erst 1744 wieder in ernstliche Erwägung. 
Den F riedhof samt einem dazugehörigen Häus¬ 
chen vor der Stadt in der Nähe des sogenannten Zie¬ 
gelteiches besaß die Leipaer Judenschaft schon seit 
dem Ende des 16. Jhts. Den Platz hatte ihr angeblich 
Johann von Wartenberg auf herrschaftlichem Grunde 
geschenkt, was jedoch die Stadt in einem langwieri¬ 
gen Prozesse mit dem Herrschaftsbesitzer, jedoch 
ohne Erfolg, bestritt, indem sie behauptete, daß das 
ganze Gelände am Ziegelteiche städtischer Besitz ge¬ 
wesen sei. 
Daß die Zahl der Juden in L. im Laufe der Zeit 
nicht allein durch die natürliche Vermehrung, son- 
Ceská Lipa 1 4* 
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Böhm. Leipa 1
	        
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